Montag, 9. Mai 2011

Mit dem Bus nach DC

Der letzte Pendlerbus verlässt Solomons am Morgen um 6. 50 h und kommt nach 90 km Fahrt kurz vor 9 Uhr in Washington DC an, gerade rechtzeitig, damit auch die letzten der dort beschäftigten Bundesbeamten noch an ihre Pulte hechten können. Danach gibt’s nichts mehr bis am andern Morgen um 4.35 h, wenn der erste Bus losfährt.
In der Gegenrichtung fährt der erste Bus um 12 Uhr und der letzte um 17.40 h aus der Stadt Washington ab, die übrigens niemand so nennt. Die Locals nennen ihre Stadt ausschliesslich „DC“, nach dem Kürzel der Verwaltungseinheit District of Columbia. Aber item: Das Monatsabo für den Bus kostet 170 Dollar; man kann gegen Aufpreis sogar eine Art Regenbogenabo kaufen und in der Grossagglomeration damit zusätzlich die Metro benutzen.

Fast alle Buspendler müssen an ihrem Wohnort trotz öV ihr Auto benutzen, weil der Bus mitten im Grünen vom Parkplatz einer Kirche in Autobahnnähe wegfährt und auch dort wieder ankommt. Aber immerhin: sie sparen Benzin, denn Treibstoffe sind in den USA überdurchschnittlich teurer geworden. In der Schweiz hat Benzin seit einem temporären Tiefstand im Jahr 2009 (Fr. 1.40) um gut 20 Prozent aufgeschlagen. In den USA sind es 60 Prozent.

Den Grund muss man nicht weit suchen: Der Wertzerfall des Dollars verteuert im Land des Greenback die Treibstoffpreise um ein Vielfaches gemessen mit Europa. Die Amerikaner zahlen also zweimal für die Finanzkrise: einmal durch die Entwertung ihrer Einfamilienhäuser, Pensionsguthaben und Aktienportefeuilles als direkte Folge des Crashs vom Herbst 2008. Und jetzt ein zweitesmal im Alltag an der Tankstelle - und generell beim Kauf von Importgütern, wobei der Treibstoff am meisten ins Gewicht fällt.

Wegen der krisenhaften Entwicklung des Benzinpreises gibt es im Kongress den Plan, mehr eigenes Erdöl zu fördern, auch unter Inkaufnahme von Umweltrisiken wie erlebt im Golf von Mexiko im vergangenen Jahr. Der Treibstoffpreis ist zu einem Topthema avanciert. In ganzseitigen Inseraten in der "Washington Post" propagiert der Verband der einheimischen Erdölproduzenten eine neue, nationale Förderpolitik.

Doch diese Politik nützt am Ende den Konsumenten herzlich wenig, es profitieren vor allem die Erdölgesellschaften; denn für Oel werden längst Weltmarktpreise bezahlt - unabhängig davon, aus welchem Land das Oel stammt. Die Hoffnung auf günstige Benzinpreise durch eigenes Erdöl ist also ein Irrglaube. Die Folge sind hohe Umweltrisiken und hohe Gewinne der Erdölfirmen. Ein Grund mehr, auf den Bus umzusteigen auf dem Weg nach DC.

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