Dienstag, 22. November 2011

Von Charleston bis Jacksonville

Das Gebiet des Rheins war überschwemmt. Und ich sollte eine Story schreiben. Doch die Redaktion wollte nicht einfach irgendwelche Faits divers; das Ereignis sollte vielmehr zum Anlass genommen werden, die „apokalyptische Zeit“ zu beschreiben, in der wir leben. Im Newsroom war es laut, so dass ich keinen vernünftigen Gedanken fassen konnte. Ein Chefredaktor aus längst verflossenen Zeiten wies mich an einen ruhigeren Arbeitsplatz. Doch dort nahte nun die Dead line. Ich erwachte und sagte zu Agnes, die bereits dabei war, das Boot für unseren Trip nach Jacksonville vorzubereiten: „Warum muss man immer noch arbeiten nachts, wenn man längst pensioniert ist.“

Unwillig und noch immer ausser mir von dem Traum mit der Ueberschwemmung trank ich Kaffee und machte mich bei den weiteren Vorbereitungen nützlich. Ich hatte am Abend eine exzellente Analyse meines Kollegen Robert Mayer gelesen zur Krise des Euro, so erinnerte ich mich nun, während ich die Anoden aus dem Wasser nahm. Wahrscheinlich hatte mir dieser Bericht den Albtraum zugefügt. Die Schlussfolgerung war voller Pessimismus, eben „apokalyptische Zeit“.
Wir verliessen Charleston Harbor nun an diesem Samstagmorgen und motorten Richtung Atlantik, wo wir unerwartet hohe Wellen antrafen. Doch auf einem Kurs von 215 (Karte) nahm Miranda die Wellen „gracefully“, wie die Amerikaner sagen. Wir setzten die Segel, nahmen die Windsteuerung in Betrieb und waren total happy, wieder segeln zu können nach dem wochenlangen „Autofahren“ im Kanal. Später am Tag drehte der Wind von Nordost auf Ost, und es wurde wärmer. Doch dann, kurz nach 23 Uhr am Samstag, fiel der Wind in sich zusammen und wir mussten motoren. Bis am Sonntag Nachmittag, als wir in Jacksonville eintrafen. Nach gut 170 Meilen sind wir nun in unserem Winterquartier. Und planen das Neue Jahr.

Mittwoch, 16. November 2011

Norfolk bis Charleston

Das hatten wir uns ganz anders vorgestellt: Wir dachten, ab Beaufort würden wir im Atlantik segeln, schön der Küste entlang südlich, um nicht in den nördlich setzenden Golfstrom hinein zu geraten. Doch die Kälte mit nördlichen und nordöstlichen Winden machte uns Warmduschern einen Strich durch die Planung. Wir hatten keine Lust, Nachtwachen bei 5 Grad zu schieben. Und so tuckerten wir – wie viele andere Boote auch – durch die kalten Carolinas, 50 Meilen am Tag und dann für die Nacht in eine schöne Marina, Heizung anschalten und aufwärmen.

Mehr als 50 Meilen sind pro Tag, bzw pro 24 Stunden, kaum zu schaffen, weil die Tage kürzer geworden sind, Brückenöffnungszeiten beachtet werden müssen und man am Morgen auch nicht vor 7 Uhr ablegen will, wenn noch ein feucht-kalter Nebel im Kanal liegt.
So haben wir von Norfolk bis Charleston nun halt zwei Wochen gebraucht, unendlich lange Tage in der Natur, vorbei an Sumpflandschaften, dann wieder Condos-Condos-Condos, Spekulationsbauten, finanziert mit Steuernachlässen. Dank des Landweges haben wir aber auch Georgetown und andere hübsche Orte kennen gelernt.

Zum Alltag auf dem Kanal gehörte auch das Suchen nach der besten oder am wenigsten schlechten Tiefe. Die Boote mit Plotter an Bord hatten es leichter; sie folgten der Kanalmitte auf ihren Bildschirmen.
Wir hingegen mit Papierkarte und Tiefenmesser mussten immer wieder die richtige Tiefe mit Schwenkern „erfühlen“. Der Trick dieses Auslotens ist, frühzeitig zu sehen, ob man auf die linke oder auf die rechte Seite des Fahrwassers geraten ist, damit man entsprechend korrigieren kann, bis die Zahlen auf der Anzeige wieder besser aussehen. Im Gegensatz zur Strasse gibt es im Intracoastal Waterway keine weissen Mittellinien.

Die Alternative dieser Mühsal wäre gewesen, bereits im Oktober die Chesapeake Bay zu verlassen und bei wärmerem Wetter die Aussenroute im Atlantik zu nehmen. Nur ist im Oktober noch Hurrikan-Saison und sind die (Versicherungs-)Risiken noch höher als im November. Die meisten Bootsversicherungen machen strenge Auflagen für den Aufenthalt südlich des 38. Breitengrades, also südlich von Cape Hatteras, sodass man im Schadensfall wohl fast unweigerlich den kürzeren ziehen würde.

Die Hurrikan-Saison dauert offiziell bis Ende November, doch dieses Jahr, so hat uns unser Wetter-Experte Thomas aus Oesterreich wissen lassen, hatte sich das Meer wegen der kalten Winde aus Norden früher als sonst abgekühlt und die Gefahr von späten Wirbelstürmen sank auf Null. Der Vorteil ausbleibender Stürme wurde also mit dem Nachteil kalten Novemberwetters erkauft.

Der Lohn der Kanal-Plackerei ist jetzt immerhin, dass wir die nördliche Kälte, für den Moment mindestens, verlassen haben. Wir hoffen, in den nächsten paar Wochen weiterhin T-Shirt-Wetter zu haben - wie man sich das vorstellt, wenn man den Winter im Süden verbringen möchte.

Freitag, 28. Oktober 2011

Südliche Bay und ländliches Virginia

Für die südliche Chesapeake Bay haben wir uns viel Zeit genommen. Erst besuchten wir Smith Island und Tangier Island. Mit dem Festland sind die Menschen nur über ein kleines Postboot verbunden, das sie nach Christfield am Eastern Shore übersetzt, also auf der Atlantikseite der Bay.
Weil auf den Inseln die Prohibition nie aufgehört hat, ist man punkto Alk auf die eigenen Bordvorräte angewiesen. Als diese zur Neige gingen, haben wir nach Deltaville aufs westliche Ufer der Bay übergesetzt. Später dann waren wir im Perrin River, knapp 4 Fuss war die Wassertiefe am Eingang des Flusses, sodass wir das Ruder hochklappten. Entsprechend waren wir DIE Attraktion. Bei unserer Ankunft klickten Kameras und wir erhielten am Steg Besuch, da sich „the arrival of a boat from Sweden“ schnell herumgesprochen habe in der kleinen Gemeinde.
Später waren wir im Sarah-Creek, dann in Salt Pond, einer etwas sterilen Community, wo private Ferienhausbeseitzer mit Meeranstoos einem das Joggen auf dem weissen Sandstrand verwehren (no trespassing). Heute nun sind wir in Norfolk gelandet, mitten in der Stadt, die wir in den kommenden Tagen besichtigen wollen.
Wir hatten ausserordentlich guten Wind, meist aus Südwest, 20 bis 25 Kn, sodass wir as zweite Reff einzogen und gestern sogar das dritte, damit Miranda nicht zuviel Druck aufs Ruder kriegte. Heute mit einem Northerner und bei entsprechend kalten Temperaturen harrten wir drei Stunden in der Kälte aus bis zur Ankunft in Norfolk. Wir konnten das gesammelte Kriegsspielzeug der Navy besichtigen, jedenfalls jene Zerstörer und Flugzeugträger, die nicht gerade irgendwo auf der Welt Krieg führen.
Von nun an ist Schluss mit Segeln. Wir werden ca 200 Meilen im Intracoastal Waterway vor uns hin tuckern. Wir nehmen dieses Mal die Abkürzung durch den Dismal swamp nach Elizabeth City und von dort dann nach Beaufort. Ab Beaufort segeln wir dann wieder im Atlantik – falls es weiter ruhig bleibt an der Hurrikan-Front. Mit Wirbelstürmen ist statistisch noch bis Ende November zu rechnen, auch wenn sie im letzten Monat der Saison statistisch betrachtet selten sind – doch eben nur statistisch, in der Wirklichkeit...

Samstag, 17. September 2011

What's next?

Anfang Oktober beginnen wir unsere Reise Richtung Süden, zuerst mit ein paar Etappen in der Chesapeake Bay, südlich des Patuxent River. Dann ab Norfolk wieder ein Stück auf dem Intracoastal Waterway, wenn möglich die Abkürzungsstrecke durch den Dismal swamp, den wir noch nicht kennen. Ab Beaufort werden wir wahrscheinlich wieder im Atlantik segeln zwischen Küste und Golfstrom - bis ca Jacksonville. Dort sehen wir, ob es uns gefällt und die Temperaturen angenehm sind.

Sonntag, 28. August 2011

"Irene" überstanden

Wir haben "Irene" ohne Schäden überstanden. Wir machten uns am Samstagnachmittag Sorgen, als das Mittagshochwasser nicht mehr zurückging und dann am Abend die Ebbe ausblieb. Doch mittlerweile hatte sich "Irene" nördlich bewegt, sodass die Chesapeake Bay nordöstliche bzw. nördliche Winde erhielt im Westquadrant des Sturms. Das führte dann dazu, dass kein Wasser mehr in die Bay hinein gedrückt wurde und nach Mitternacht am Sonntag das Wasser sogar wieder in den Atlantik hinaus fliessen konnte. Die Gefahr der Flut war gebannt. Ein Augenschein nach Mitternacht ergab, dass nicht einmal die Stege überschwemmt wurden dank des günstigen Verlaufs.
Wir erwartet fiel allerdings der Strom aus. Ein Baum lag am Morgen quer über einer Zufahrtsstrass zwei Meilen von unserem Creek entfernt. Doch bereits waren Anwohner mit Kettensägen im Einsatz. Es ist erstaunlich, wieviele solche Geräte sich in den Haushalten hier befinden. So war die Strasse im Nu frei geräumt. Da ohne Kettensäge, konnte ich nur helfen, ein paar kleinere Aeste zu beseitigen. Immerhin. Der Wind war während der 24 Stunden des tobenden Sturms kein Problem, wir waren gut geschützt in unserem Hurrikan-Versteck. Der Regen hingegen war enorm. Paul sagte: "Wie ein Platzregen, nur dass er nicht zehn Minuten dauert, sondern stundenlang."

Freitag, 26. August 2011

Hurricane preparations

Als Korrespondent in Washington hatte ich oft über Hurrikane geschrieben und so wollte ich in den neunziger Jahren auch einmal einen selbst erleben. Ich fuhr deshalb bei passender Gelegenheit nach Wilmington in North Carolina, wo der Landfall eines Sturm erwartet wurde. Es stellte sich sehr rasch heraus, dass der Trip so ziemlich die dümmste Idee meines Lebens war. Denn Hurrikane sind gefährlich: Reissende Flüsse strömen wegen der sintflutartigen Regenfälle quer zur Strasse und drohen Autos wegzuspühlen, nachts herrscht zudem absolute Dunkelheit wegen Stromausfalls. Und dann gibt es natürlich die Gefahr, von irgendwelchen herumfliegenden Teilen getroffen zu werden. Ich stand damals während dieses blödsinnigen Einsatzes vor der Alternative, entweder zu Schaden zu kommen – oder dann eine gute Geschichte zum Erzählen zu Hause zu haben. Es wurde letzteres.

Nun ist es wieder soweit. In der Chesapeake Bay wird Wirbelsturm "Irene" erwartet. Wir sind in unserem Creek, der als Hurrican whole markiert ist, also als geschützter Ort, wo die Winde nicht so stark sein sollten, wie an der Atlantikküste – oder schon an der Mündung des Patuxent River. Unsere Sorge ist denn auch nicht so sehr der Wind, sondern die Flut. Ich habe nachgelesen, dass der letzte grosse Wirbelsturm an der Ostküste, „Isabel“, 2003, den Wasserstand in Baltimore um bis zu 6 Fuss (1.80m) angehoben hat. Am höchsten sind die Wasserstände jeweils am Ende von Creeks und Flussarmen, wo sich die vom Wind in die Bay hinein gedrückten Wassermassen sozusagen stauen. Wir erwarten deshalb in Solomons, an der Mündung des Patuxent, „nur“ 4 Fuss über dem normalen Wasserstand bei Flut. Wenn ich nachmesse, ist das knapp die Höhe der Pfosten, an denen unsere „ Miranda“ im Hurrican-Versteck festgemacht ist.
Wir haben heute Morgen die Festmacherleinen um die Pfosten herum geschlungen, damit sie von der Last des Bootes (hoffentlich) festgezogen werden und nicht nach oben, über die Pfostenenden hinaus, rutschen, wenn das Wasser steigt. Auch haben wir höher gelegte Fender an den Pfosten angebracht sowie eine Pfostenverlängerung. Nicht, um die Last des Bootes daran festzumachen, sondern um zu wissen, wo sich der Steg befindet, wenn Land unter herrschen sollte. Das Boot selbst werden wir so vertäuen, dass die Backbordseite keinen Kontakt haben kann mit dem Steg. Die Fender sind also mehr für den Fall der Fälle gedacht.

Und nun warten wir, bis am Samstag der Regen einsetzt, dann der Wind immer stärker wird und das Wasser steigt. Dann wird sich herausstellen, ob „Irene“ Schäden anrichtet bei uns, unseren Freunden und unseren Nachbarn sowie in der weiteren Umgebung. Oder das ganze als eine gute Geschichte endet zum Weitererzählen im Trockenen.

Dienstag, 23. August 2011

Wie abschreckend ist die USA für Segler?

„Was ist das für eine Landesflagge“, fragt uns ein Motorböötler in Tilghman Island (Bild). „Switzerland“, sagen wir. Und dann sagt er: „Ich habe Euch bereits vor Wochen gesehen, im Intracoastal Waterway, auf dem Weg nach Norfolk.“ Stimmt, antworten wir. Und denken: Hat der Mann nur ein gutes Gedächtnis oder sind wir als ausländisches Boot so auffällig wie ein bunter Hund? Und falls letzteres: Warum gibt es so wenige nicht-amerikanische Segelboote an der Ostküste, einem idealen und dazu noch preisgünstigen Segelrevier?
Der Grund liegt in den abschreckenden Berichten über Visumszwang, Meldezwang und überhaupt all die sonstigen Massnahmen, die seit dem 9/11 ergriffen worden seien und die auch Segler zu spüren bekämen. Das hat dazu geführt, dass die allermeisten Yachten von der Karibik aus nicht (mehr) nach USA segeln, sondern im Sommer in der südlichen Karibik bleiben während der Hurrikan-Saison. Und die Folge ist, dass wir kein einziges ausländisches Boot gesehen haben in den drei Monaten, seit wir hier sind.

Abschreckend ist tatsächlich das „weisse“ Touristenvisum, das ausländische Crews von Segelbooten für die Einreise per Boot in die USA brauchen, das normale „grüne“ Papier, ein Visawaiver (also ein Rechtsverzicht), reicht nicht. Man muss sich deshalb vor Abreise in der Schweiz einen Vormittag lang auf der US-Botschaft herumschlagen und Einkommen, Ersparnisse und persönliche Verhältnisse offen legen und sogar die Krankenkasse nennen – wo Millionen AmerikanerInnen noch immer keine haben . Doch dann ist Schluss mit Schikanen. Einmal mehr zeigt sich dann nämlich, dass in den USA die Gesetze zwar hart und abschreckend formuliert sind, aber die Anwendung doch oft total large ist.

Ein Beispiel: Bei unserer Ankunft in Beaufort kündigt der Zoll telephonisch den Besuch für den nächsten Morgen 9 Uhr an. Auweia! Jetzt heisst es aufräumen! Alle Dokumente kontrollieren! Haben wir Drogen an Bord? Ja, Medikamente! Müssen wir die angeben? Klar! - - - Wir haben schlecht geschlafen vor dem Termin. Doch dann war alles total harmlos. Die zwei Zöllner, die pünktlich kamen, wollten nicht mal an Bord kommen. Sie sagten uns bereits zur Begrüssung, sie würden nur gerne die Cruising License vorbei bringen, eine gratis erteilte Bewilligung für ein Jahr segeln in den US-amerikanischen Gewässern. „And have a save trip.“

Auch die von „Noonsite“, der wichtigsten Webseite für Fahrtensegler, drastisch geschilderte Meldepflicht funktioniert sehr unbürokratisch. Man ruft bei Ankunft im Hafen eines neuen Bundesstaats die Zollbehörde an (die Nummern sind auf „Noonsite“ zu finden), nennt die Cruising-License-Nummer und das wär’s dann schon. Davor und danach hat man keine Ueberwachungsmassnahmen mehr zu gewärtigen. Auf unserem Trip in die Chesapeake Bay und den zahlreichen Stopps in kleinen Marinas und stillen Ankerbuchten blieben wir behördlich unbehelligt, und wurden von den Menschen total freundlich empfangen.
Segeln entlang der Ostküste der USA stellt keine grossen Ansprüche. Man muss gut navigieren und sich an das System der sogenannten Daymarker gewöhnen, rote, bzw. grüne Tafeln, die auf Stecken im Wasser stehen, denen man in die Creeks hinein folgt, um Untiefen zu vermeiden. Es gilt „Red Right Return“ (Rückkehrend Rechts Rot), das heisst die roten Tafeln lässt man auf der Steuerbordseite vorbeiziehen, die grünen auf der Backbordseite – genau umgekehrt wie in Europa. (Das Bild links zeigt das System vom Hafen aus gesehen, also mit den grünen Daymarkern auf der Steuerbordseite.)

Fazit: Segeln in den USA ist so unproblematisch - und unbürokratisch wie irgendwo in Schengenland. Die Warnungen von „Noonsite“ erscheinen total übertrieben, abgesehen vom Visumszwang. Die umfangreiche Auskunftspflicht für die Visa-Erteilung ist ärgerlich, aber der behördliche Ermittlungseifer trifft nicht nur Segler, sondern Millionen auf der Welt, die nicht - wie die Westeuropäer, wenn sie per Flugzeug kommen - mit dem „grünen Visum“ in die USA reisen können.

Dienstag, 2. August 2011

Der schlimmste 1. August

Auf dem Weg nach Solomons sprachen wir im Auto über den schlimmsten ersten August. Das war 1974, als ich eine Migräne erlitt und jämmerlich darnieder lag, weder für Feuerwerk noch für sonst etwas zu gebrauchen. Seither hatte sich in unserem kleinen Leben am Nationalfeiertag nichts Bemerkenswertes mehr ereignet.
Beim Bootssteg angekommen, öffneten wir gut gelaunt alle Luken, um etwas Luft herein zu lassen in der Hitze- Da ertönte ein Schrei oder war’s mehr ein irrer Seufzer meiner Frau: „Kakerlaken“. Ueber Kakerlaken sprechen Böötler nicht gerne; es handelt sich um eine unanständige Krankheit, die viele zwar aus eigener Erfahrung kennen, aber lieber verschweigen. Wir hatten bisher Glück gehabt, hatten immer aufgepasst mit den Kartons etc; denn die Legende geht, dass schon ca. ab Madeira die Invasion der Viecher droht, die sich lange vor uns auf der Erde eingerichtet haben und deshalb über zähe Ueberlebsgene verfügen.

Agnes machte sich ohne weitere Worte auf den Weg, um ein Mittel zu holen. Sie kam zurück mit zwei Gasbomben. „Das einzige, was hilft“, sagte sie resolut. Wir machten alle Luken wieder dicht, öffneten die Gasbomben, schlossen das Boot mit dem Gas im innern ab und gingen zu Roy Rodgers, um einen Cesars Salad zu essen. Es ist erstaunlich, wie gelassen man zu Mittag essen kann, während andere von Atemnot und Krämpfen gezeichnet, einem quälenden Tod entgegen gehen.

Später fuhren wir zurück, um das Ergebnis unserer Vernichtungsaktion zu besichtigen. Im innern des Bootes war die Luft von den beiden Gasbomben so dick, als hätte jemand ein paar Zigaretten geraucht. Ich hielt die Luft an, ging hinein und öffnete erneut alle Luken. Dabei musste ich plötzlich und dringend einen Atemzug nehmen, doch es ging gut und ich erlitt keine Atemnot. Wir besichtigten nach angemessener Lüftungsfrist die herum liegenden paar toten Kakerlaaken, andere waren noch läbig, waren aber verdächtig langsam unterwegs und wurden nun sozusagen von Hand ermordet. Dann wurde geputzt und ein weiteres Gift namens „Raid Max“ gespritzt.

Als wir fertig waren, kam Earl, unser Nachbar, um sein Boot richtig festzumachen. Earl war am Sonntag bei Ebbe kurz vor dem rettenden Steg auf Grund gelaufen. „Besser als Kakerlaken“, sagte ich zu ihm. Earl, der alles kann und alles weiss, sagte ganz ungeniert, er würde in seinem Haus bei Kakerlakenbefall immer drei Gasaktionen durchführen, jeweils im Abstand von vier Tagen. Dies allein garantiere, dass die frisch geschlüpften Cockroaches getötet würden und dann nach jeweils vier Tagen die nächste Eier-Generation. Erst danach könne man sicher sein, dass keine Eier mehr vorhanden seien.

Die nächste Bombardierung findet nun also am Freitag statt. Bis dann haben die Kakerlaken eine Gnadenfrist. Wahrscheinlich lachen sie über uns und nehmen uns überhaupt nicht ernst, weil ihre Gattung zähe ist und uns wahrscheinlich überleben wird, nicht als Individuen, aber als Gattung. Für uns aber war es der schlimmste 1. August und die Migräne von 1974 rückt nun klar auf Platz 2.

Freitag, 22. Juli 2011

115 Grad heiss

Feucht heisse Tage kündigen sich am frühen Morgen an, wenn die Sonne aufgeht in einem Dunst aus Feuchtigkeit. Es herrscht dann meistens auch totale Windstille, wie hier in unserem Creek, dem "Mill Creek" bei Solomons (MD).
Das beste ist, der zu erwartenden Hitze zu enfliehen wie der Kälte im Winter: Man flüchtet in ein Haus und bleibt dort den ganzen Tag, schaltet nur hin und wieder den Wetterkanal ein, um sich wohlig erschrecken zu lassen von der "gefühlten" Hitze, die natürlich höher liegen sollte als die "echte", sonst wird aus der News nie eine Schlagzeile. Die lokalen TV-Stationen setzen noch einen drauf: Sie sind mit kleinen "Messpistolen" unterwegs und messen alles, was ihnen vor die Kamera kommt, auch den heissen Asphalt. Das gibt dann sensationelle Zahlen. Heute, am 22. Juli, soll es bis zu 105 Grad warm werden, umgerechnet in Celsius sind das gut 40 Grad, "gefühlt" sollen es gar 115 Grad sein oder 46 feucht-heisse Celsius-Grade.

Mittwoch, 20. Juli 2011

Ein Gewitter wie im Film

Ich behaupte, dass in Amerika die Gewitter gewaltiger sind, die Blitze heller, die Donnerschläge knallender als in der übrigen Welt. Die Gewitter hier sind genau so, wie wir sie aus den alten Filmen kennen, wo sintflutartige Regenfälle eine Frau und einen Mann heimsuchen, sie mit Kopftuch, er mit breitkrempigem Hut, nachts im Licht eines Autoscheinwerfers. Wir dachten jeweils, dass die Hollywood-Regisseure übertreiben würden mit ihren Blitzen und den Regengüssen der freiwilligen Feuerwehr. Das stimmt nicht, die Film-Gewitter sind meiner Meinung nach den echten bedrohlich genau nachempfunden .

Doch vielleicht übertreibe ich und habe nur Schweizer Berggewitter vergessen, die ich als Primarschüler in der Ferienkolonie in Graubünden erlebte, wenn wir atemlos in unseren Betten lagen im grossen Schlafsaal und nicht wagten „einundzwanzig“ zu zählen, weil der Donner praktisch zeitgleich mit dem Blitz vom Piz Beverin auf uns nieder ging.

Item: Als ich gestern abend plötzlich eine mächtig schwarze Himmelswand durch das Fenster meines Restaurants in Lusby erblickte, ging mir ein kleiner Schreck durch die Knochen und vor dem geistigen Auge spielte sich in Sekundenschnelle ab, was ich im folgenden erleben sollte. Ich verlangte hastig nach der Rechnung und ging ins Freie. Ich hatte eine halbe Stunde Fussmarsch vor mir, ein Teil durch offenes Feld. Bald erblickte ich bei einem furchtsamen Zurückschauen den ersten langen und blankweissen Blitz, der nur wenig entfernt senkrecht in den Boden stach. Und auch vor mir waren immer wieder ähnliche Ungetüme von elektrischem Licht zu sehen. Ich zählte einundzwanzig und kam bis 26 – was ich als beruhigend empfand
Ich rief nun Agnes an, die in Washington geblieben war, um mich nach der Richtung des Gewitters zu erkundigen. Ich erhoffte davon weitere Beruhigung. Doch weit gefehlt: Auf dem Radar, so berichtete meine Wetterfee, sei zu sehen, wie eine rot-orange-grüne Suppe sich von Dunkirk südlich Richtung Solomons verschiebe. Das war nun bad news. Und wie zur Bestätigung des Wetterberichts hob jetzt ein Wind an. Die Autos fuhren mit Licht und vor mir überquerte ein Mann die Strasse mit einer Taschenlampe, obschon es noch nicht richtig dunkel war und verschwand in einem Haus ohne Licht. Stromausfall?
Nun waren die ersten Tropfen zu spüren und einem hellen Blitz folgte ein erst hell knisternder, dann knallender Donner auf dem Fusse, sodass ich wie in der Ferienkolonie kein fertig gezähltes „Einundzwanzig“ mehr zusammen brachte. Gleichzeitig kam die Wegpassage über freies Feld und ich dachte, es wäre schon blöd, ein Jahr nach der Pensionierung von einem Blitz erschlagen zu werden. Nichts geschah jedoch in den kritischen Minuten, da ich ein offenes Ziel für die Gewittergötter war. Doch nun begann es richtig zu regnen; ich begann zu traben, um mich rasch ins nahe Waldstück zu retten, die letzten 10 Minuten des Weges.

Während ich auf der noch trockenen Waldstrasse lief, begann sich eine Sintflut in die Baumkronen zu ergiessen, wie es nur die Frau mit dem Kopftuch in dem alten Film erlebt hat und ihr Partner, Humphrey Bogart wahrscheinlich. Das Baumwerk verlor schnell seine anfängliche Undurchlässigkeit. Ich wurde total nass von einem erstaunlich warmen Regen.
Als ich endlich beim Bootssteg ankam, war unsere „Miranda“ kaum zu sehen in dem Regennebel. Die Lucken hatte ich noch bei schönstem Wetter geschlossen, wie wir das immer tun, um nicht unterwegs Gewissensbisse zu kriegen.

Den Rest des Gewitters betrachtete ich dann angstfrei durch den offenen Niedergang. Bald fühlten sich die Regentropfen kühler an auf der Haut, die Sicht wurde besser im stillen Creek, wo nun auch wieder Wasservögel zu sehen waren. Blitz, Donner und auch der Regen liessen nach. Das Gewitter war vorbei.

Montag, 18. Juli 2011

In der Umerziehung

Wir werden unseren Grosskindern einmal erzählen, dass es früher in den Supermärkten Menschen gegeben hat, die unsere Orangen und Bananen, die Kartoffel-Chips und das Geflügel einscannten und am Ende das Geld für den Einkuaf kassierten. Denn seit kurzem macht sich in den USA ein System breit, das keine Kassierinnen mehr braucht: Der Self-check-out. Diese unbedienten Kassen sind bald so häufig wie der Self Check-in auf dem Flughafen.
Bisher habe ich beim Einkauf das neue Teufelszeug wenn immer möglich gemieden, doch nun merke ich, dass die Betreiber der Supermärkte eine raffinierte Strategie anwenden, um mich langsam aber konsequent umzuerziehen: Sie verknappen bewusst die Zahl der bedienten Kassen und bieten dafür immer mehr Maschinen an. Heute Nachmittag zum Beispiel waren bei „Shoppers“ in College Park nur gerade zwei bediente Kassen offen, vor denen sich lange Schlangen bildeten. An den sechs Self-Checkout-Stationen hingegen herrschte kein Gedränge. Und so entschied ich mich zwecks zügiger Erledigung des Einkaufs und unter Vermeidung von Wartezeit halt für eine dieser Selbst-Kassier-Maschinen.

Da ich schon ein paar Mal wegen langer Schlangen weich geworden bin und selber gecannt habe, bin ich mittlerweile ziemlich gewandt und muss den Kaffeerahm nicht mehr um alle Ecken drehen, um den „SKU“ zu finden. Mit einem gewissen Stolz kann ich sagen, dass ich auch schwierige Scans hinkriege, zum Beispiel den unebenen Strichcode auf der Cellophan-Packung meiner Lieblings-Brezel. Man muss – wie die „richigen“ Kassierinnen – den Code nur mit den Händen etwas strecken und glätten, dann geht’s bestens.

Laut offizieller Statistik (http://www.bls.gov/oco/cg/cgs024.htm) gibt es landesweit 850 000 Kassiererinnen und (erstaunlich viele) Kassierer. Es ist klar, dass die meisten von ihnen über kurz oder lang ihren Job verlieren, wenn der neue Trend – wenig bediente Kassen, viele Self check outs – weiter forciert wird. Kommt eigentlich nur darauf an, wie schnell wir uns umerziehen lassen.

Sonntag, 17. Juli 2011

Die Erfindung der Ampel

Wenn das Lichtsignal endlich auf Grün wechselt, ist es den meisten von uns herzlich egal, wer das System erfunden hat. Ehrlich gesagt auch dann, wenn die Ampel auf Rot steht. Man denkt sich nichts dabei - bis am Samstag, 16. Juli, kurz vor 11 Uhr morgens, als wir vor dem Lichtsignal im kleinen lokalen Museum in Syracuse im Bundesstaat New York stehen. Und auf einer Tafel lesen, dass hier, in dieser Stadt, die Erfindung gemacht worden ist, die Rot und Grün zum Inbegriff von Stillstand und Bewegung werden liess.

1924 also sei die Ampel erfunden worden, steht da. Im Original lautet der Text: „Crouse and Hinds' best known invention is the traffic light, first installed in Syracuse at the corner of James and State Streets in 1924.” Ein bisschen spät, denke ich und schaue zu Hause auf Wikipedia nach. In der Tat eine museale Falschangabe: Erste Versuche mit Lichtsignalen gehen bereits zurück aufs Jahr 1868 in England. Und das erste traffic light in Amerika soll 1912 in Salt Lake City installiert worden sein, die Erfindung eines Polizisten übrigens, falls man den Angaben glauben darf.
Interessanterweise nimmt nicht einmal die im Museumstext erwähnte Firma „Crouse and Hinds“ für sich in Anspruch, die Erfindung gemacht zu haben, wie eine weitere kleine Recherche ergibt. Das Unternehmen fabriziert noch immer Verkehrsanlagen, heute unter dem Namen „Cooper Industries“. Nach dieser Computerarbeit bin ich etwas belämmert, weil ich bisher felsenfest an die Wahrheit von Tafeln geglaubt habe, die in Museen dem Publikum präsentiert werden. Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet in der Frage der Erfindung des Lichtsignals die Wahrheitsampel abrupt auf Rot schalten und eine Falschmeldung enthüllen würde.

Sonntag, 10. Juli 2011

Allein unterwegs nach Annapolis und zurück

Zum erstenmal war ich mit unserem Boot allein unterwegs, also ohne Agnes, die Co-Skipperin, und ohne ein anderes Crewmitglied. Ich musste unsere „Miranda“ nach Annapolis bringen, wo die Chesapeake-Rigging-Company zu Hause ist und wo das Boot neue Stahlseile, Wanten und Stage, bekam.
Das Bild rechts zeigt eine kritische Phase bei dieser Arbeit, während der die Rollfockanlage frei seitlich links am Boot hängt, um dann vorne am Bug befestigt zu werden.

Nach der anderthalbtägigen Arbeit von zwei Riggern ging’s wieder zurück nach Solomons. Alles ging gut. Der neue Autopilot steuerte klaglos. Zwei grosse Unterschiede allerdings stellte ich fest:

- Bei der Ansteuerung Richtung Annapolis, kurz nach dem Lighthouse, das meinen Namen trägt („Thomas Point Lighthouse“), konnte ich eine rote Tonne nicht finden und meine GPS-Route gab an, dass ich sie bereits passiert hätte. Allein laut Karte und Positionsbestimmung darauf traf dies nicht zu. In dieser Situation konnte ich mich unmöglich für längere Zeit diesem Navigationsproblem widmen. Denn da war niemand, der während der Zeit Ausguck hätte halten können, angesichts des regen Verkehrs auf dem Wasser unabdingbar. Ich nahm dann die Karte ins Cockpit, studierte sie und sah mit dem Feldstecher ein grünes Seezeichen; der Vergleich mit der Karte stimmte und so setzte ich fröhlich den neuen Kurs. Lehre daraus: Wer allein ist, darf sich nicht in letzter Minute („Position schon passiert?“) mit der Navigation (und einem falsch eingegebenen Wegpunkt im GPS) befassen.

- Das zweite Problem ist das An- und Ablegen. Da allein, gab ich bei der Abfahrt nicht einfach Gas, um vom Steg wegzukommen, sondern schob das Boot mit der Hand vom Steg weg, schön langsam, damit ich keine anderen Boote touchieren oder dies rechtzeitig erkennen würde. Das gelang gut, auch deshalb, weil es um 5 Uhr morgens keinen Wind hatte. Die Navigation bei der Ankunft in Solomons war einfach, weil ich dort schon hundertmal angekommen war. Und als ich an unserem Steg anlegte, war Paul bereits die Treppe herunter gekommen von seinem Haus, um mir zu helfen. Ein kühles Bier hatte er auch dabei. Die Lehre daraus: Keine, mir schien aber, das Bier hätte ich nach gut 10 Stunden und 43.5 Meilen echt verdient.

Obamas running mate

Die Frage, wer im November 2012 gegen Barack Obama antritt, beschäftigt im Moment niemanden auf der Welt. Ausser jene republikanischen Kandidaten in spe und ihre Handler, die unbedingt Millionen von Dollars auf die Reihe kriegen müssten, damit ihr Wahlkampf nicht endet, bevor er begonnen hat. Wir befinden uns in einer Phase, in der – marxistisch gesprochen – das Kapital das Sagen hat.
Es hat laut Spendenstatistik für die letzten drei Monate den in Europa ziemlich unbekannten Mitt Romney (Bild) zu ihrem Kandidaten gewählt. Er führt mit 18.5 Millionen weit vor dem zweit platzierten Ron Paul, der gerade 4,5 Millionen Dollar zusammen gebracht hat.

Romney allerdings, ein früherer Gouverneur von Massachusetts, hat den Ruf eines liberalen Republikaners, der in seinem Staat unter anderem eine Reform des Gesundheitswesens in die Tat umgesetzt hat wie sie Obama auf nationaler Ebene anstrebt. Das „Wall Street Journal“ hat deshalb Romney als „running mate“ Obamas bezeichnet, als Kampfgefährten Obamas also, was jeden Republikaner zusammenzucken lässt. Und wie es scheint, ist auch das Kapital unsicher, ob wir es bei Romney wirklich mit einem aussichtsreichen Konservativen zu tun haben, denn er hat nicht mal die Hälfte der Spenden zusammen gebracht im Vergleich zu seinem letzten Versuch im Jahr 2007.

Was ist der Grund? Das Kapital ist wählerisch geworden, muss man sagen, denn es folgt neuerdings dem Grundsatz eines effizienten Mitteleinsatzes. Und spendet nicht mehr querbeet für einzelne Kandidaten, sondern investiert in sogenannte Super-PACs (http://tinyurl.com/2e8ad5d), das sind Spendenorganisationen, die keinem einzelnen Kandidaten zugeordnet sein müssen und sich im Wahlkampf für oder auch gegen einen Kandidaten engagieren können. Dieses neue Modell ist massgeschneidert für die komplexen Spendengesetze, aber auch für die momentane Situation, da sich der mutmassliche Gegner Obamas noch nicht richtig herausgeschält hat.

Man müsste also, in Abwandlung des obigen Satzes, dass das Kapital das Sagen hat, für 2012 eine neue Regel formulieren. Neu gilt nicht mehr der Grundsatz, dass die Grosspender Kampagnen und Kandidaten überhaupt erst ermöglichen. Neu ist, dass sie sich ihren Einfluss auf den Kandidaten erst sichern, wenn ein Name erfolgversprechend am Horizont sichtbar geworden ist. Politisch kommt es am Schluss aufs gleiche hinaus, weil mit Geld in der US-Politik fast alles legal erkauft werden kann. Oekonomisch hingegen macht das neue Modell mehr Sinn als das alte: 2007 hatten Spender im Vorwahljahr noch 44 Millionen für Romney aufgeworfen – und er hat das Rennen nicht gemacht. Verlorenes Geld also. Deshalb gilt heute: Besser warten, ob Romneys Erfolg diesmal nachhaltiger ist. Denn erst dann käme der Moment, wo geldmässig aus dem running mate ein echter Gegner Obamas geformt werden müsste.

Mittwoch, 6. Juli 2011

WD-40

„WD-40“ ist für Handwerker, was das „Albumblatt für Elise“ für die Klavierschüler: ein Allerweltsding. Niemand, der Schraubenschlüssel oder Notenschlüssel kennt, kommt an ihm vorbei. WD-40 ist die geniale Komposition einer Flüssigkeit, welche im Nu verhockte Schrauben lockert oder Bedienungselemente wieder leicht gängig macht. Im Segelwesen kann man es auch zum Reinigen von Fendern verwenden. Ja ich habe gelesen, dass manche Segler es sogar erfolgreich gegen Rheuma einsetzen, denn „WD-40“ lässt sich als Spray auch ganz einfach auf jene Gelenke spritzen, die von Gsüchti heimgesucht sind.

Das Wundermittel kommt in zwei Darreichungsformen, als Spray gegen grosse Probleme. Und mit einem Röhrchen gegen kleine, im Motorraum oft nur schwer zu erreichende. Diese Röhrchen haben es in sich: Sie sind mit einem Klebeband an die Spraydose geklebt.
Und wer nicht wahnsinnig acht gibt, hat sie spätestens nach dem zweiten Gebrauch verloren. Dagegen kann man zwar etwas tun, zum Beispiel Röhrchen der alten WD-40 Dosen als Ersatz aufbewahren oder präventiv die Röhrchenhalterungen neuer Dosen gleich am Beginn verstärken. Seit kurzem ist dieses ärgerliche Röhrchenproblem jedoch auf geniale Weise gelöst: bei den WD-40 Dosen der neusten Generation (siehe Bild) lässt sich das Röhrchen ganz einfach hoch- und niederklappen, je nach Anwendung. Eine bahnbrechende Neuerung.

Mittlerweile gibt es Nachahmermittel; eins davon hat einen so tollen Namen, dass ich es haben musste: Liquid wrench, flüssiger Schraubenschlüssel. Ein drittes kaufte ich auf Empfehlung von Paul, es heisst Corrosion block und muss vor Beginn der Korrosion angewendet werden; es heisst im Volksmund auch „Anti-seize“. Dann gibt es, ebenfalls als präventive Bastlermedizin, für Metall ein High-Tech-Mittel Tef-Gel sowie Lanocote, eine gelbe Salbe ebenfalls gegen Korrosion, die ich nach getaner Arbeit jeweils gerne auch als Handcreme verwende.

Es ist klar, dass diesen Wundermitteln immer etwas der Ruf von Snake oil anhaftet, ein wunderbarer Begriff, der augenzwinkernd die Nutzlosigkeit eines Produkts vermutet. WD-40 gehört klar nicht dazu, sondern hat mittlerweile einen sagenumwobenen Ruf, zum Beispiel was den Namen selbst angeht. „WD-40“ – woher kommt das? Die Legende lautet, dass es sich bei der Entwicklung im Labor um jene Versuchsflüssigkeit zur Wasserverdrängung „Water Displacement“ (WD) gehandelt hat, welche beim 40. Versuch erfolgreich war. WD-1 bis WD-39 waren da wohl nichts anderes als - Snake oil.

Dienstag, 5. Juli 2011

90 Grad und keine Klimaanlage

Wir haben fast neun Jahre lang im schicken Washingtoner Friendship-Hights-Quartier gelebt. Wenn man im Sommer durch die Strassen lief, hörte man von allüberall das Brummen der Klimaaggregate, die jeweils im Freien aufgestellt sind mit Blasrohr ins Innere des Hauses. Auch wir hatten so ein Ding, das für eine kühle Atmosphäre sorgte, rein klimatisch natürlich, wenn draussen die Temperatur auf 90 Grad stieg. Das könnte man nun in Celsius umrechnen, doch reicht die Fausregel: 90 Grad und höher ist „heiss“.
Nun wohnen wir in einem andern Quartier, gleich ennet der Stadtgrenze, in Mount Rainier, wo es keine Diplomaten und Auslandskorrespondenten gibt, dafür einen Bioladen und eine buntbemalte Kreuzung vom Quartierfest, das gerade eben stattgefunden hat.
Und Klimaanlagen haben die meisten Bewohner auch nicht, entsprechend fällt das gewohnte Brummen auf dem Heimweg aus. Heiss ist es aber immer noch: 90 Grad, doch wir müssen nicht leiden: Nachts kühlt es ab und so haben wir die Fenster geöffnet - auch im Parterre, weil Einbrüche in diesen ärmeren Quartieren wunder selten sind (es gibt ja nichts zu klauen). Am Morgen öffnen wir jeweils die Haus- und die gegenüber liegende Verandatür, sodass kühle Luft durch das Innere des Hauses strömen kann. Später schliessen wir Türen und Fenster und stellen die Riesen-Ventilatoren an, die an der Decke befestigt sind und die uns dann kühle Luft zufächeln. Geht doch!

Sonntag, 3. Juli 2011

Ein Land im Krieg

Bei Adams Ribs in Mayo, einem Restaurant, das für seine Poulets und Rippchen eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, gibt es bis zum 3 Juli, jeweils zwischen 1o Uhr und 15 Uhr Budweiser Light für 1 Dollar - "for our troops".
Ich frage den Kellner, wie das zu verstehen sei. Können wir 1 Dollar zahlen und ein amerikanischer Soldat in Irak oder in Afghanistan kriegt dann ein Bier sozusagen von uns spendiert. "Nein, wir wollen nicht, dass unsere Truppen betrunken kämpfen", sagt der Kellner. Ja, wie ist dann das Angebot zu verstehen? "Oh", meint unser Gewährsmann, "Du kriegst ein Budweiser für 1 Dollar und Du trinkst es." Und die Truppe? "Kriegt dann eine Spende, aber frag mich nicht, wie das genau geht."
Niemand weiss so richtig etwas, eine Zeiterscheinung im Land mit der am weitesten entwickelten Informationstechnologie. Auf der Fahrt nach Hause reden wir über die Meldungen von den Gefallenen, die im Fernsehen kommen und die uns nicht loslassen. Neben Name und Vorname sind immer auch das Alter und der Ort des Einsatzes aufgeführt; es sind fast ausschliesslich sehr junge Männer, die als Gefallene gemeldet werden. Und man denkt, wie das ist, wenn in Tulsa (Oklahoma) oder in Monterrey (Kalifornien) die Nachricht vom Tod des Sohnes, Ehemannes oder Bruders eintrifft. Ein Land im Krieg mit Bud Light zum Schnäppchenpreis.

Freitag, 24. Juni 2011

Sieg über einen verbogenen Pfosten

Es ist schon komisch, dass man als Pensionierter und berufsmässiger Müssiggänger das Gefühl haben kann, Ferien echt verdient zu haben. Oder jedenfalls eine Atempause nach Ueberholungsarbeiten am Boot, die eine Achterbahn aus Frust, Glücksgefühl, Schwerarbeit und begangener oder auch nur knapp vermiedener Fehler waren. Nehmen wir als Beispiel den verbogenen Pfosten an Deck, dessen Auswechslung eine Sache von Minuten wäre. Wäre, wenn das Ding sich nicht total korrodiert präsentiert hätte und am Schluss nur eines blieb: der ganzen Anlage mit zwei verschiedenen Trennscheiben zu Leibe rücken, die mir Earl ausgeliehen hatte.

Der Kollege von Paul mit seinem unerschöpfplichen Arsenal an Maschinen erwies sich als wahrer Glücksfall an selbstverständlicher landestypischer Hilfsbereitschaft. Am Schluss scheiterte die Aktion aber beinahe noch an einem zu kurzen Schraubvorsatz. Doch nach dem Motto „Every project calls for new tools“ posteten wir bei „Ace“ einen sagenhaften Langschaft-Schraubvorsatz, von dessen Erfindung ich keine Ahnung hatte; Paul gab den entscheidenen Tipp. Wir fuhren gemeinsam zu „Ace“, kauften zwei Stück des Schrauberdings, setzten ihn in die Bohrmaschine ein – et voilà.
So verbringt man sein Leben. Und kann dereinst sagen, dass man einen Relingpfosten und dessen Halterung (siehe Bild) nach nicht endenwollendem Kampf besiegt hat. Die gesegelten Meilen verschwinden hinter solchen Leistungen – und das ist auch gut so. Denn – ich zitiere einen weitgereisten Skipper: „Ein bisschen Reffen kann jeder, wenn der Wind zunimmt, aber gut reparieren ist eine ganz andere Sache.“

So habe ich nun das Wochenende verdient, was überhaupt das beste ist bei meiner 5-Tages-Plackerei: Ich habe wieder einen Arbeitsrhythmus und ergo auch ein freies Wochenende. Und muss nicht mehr fragen, was heute für ein Tag sei, weil die Zeit auf See jeweils total unstrukturiert zerrinnt. Ein verbogener Pfosten hat also durchaus seine guten Seiten. Und der neue Pfosten in seiner Halterung sieht wirklich schön aus.

Mittwoch, 15. Juni 2011

Gebell und rote Bohnen

Gestern nahmen Luke und ich das Ruder auseinander und ich montierte neue Leitungen an den Hydraulikzylinder, an welchen ich dann einen Kübel Wasser hängte, um das System zu testen, bevor das Ruder wieder mühsam montiert würde. Leider waren nun nicht mehr die Leitungen undicht, der ursprüngliche Grund der Reparatur, sondern der Zylinder selbst sonderte ein hellgelbes Wasser ab. Und so stand ich am Mittag überraschend vor der Frage: Wo repariert im südlichen Maryland jemand meinen französischen Hydraulikzylinder?

Luke wusste dazu folgendes: Ich müsse auf der Route 235 ein paar Meilen fahren, bis ich zu einem gelben Briefkasten käme. Der Name des Hydraulik-Shops selbst sei ihm leider entfallen. Doch was er wisse, sei noch dies: Wenn ich rechter Hand die Sandgates Road sähe, sei ich bereits zu weit gefahren. Gesagt getan. Und prompt kam ich nach gut 11 Meilen an der Sandgates Road vorbei, drehte folgerichtig um und nahm einen zweiten Anlauf. Da war er ja, der gelbe Briefkasten, den ich bei der ersten Durchfahrt übersehen hatte. Ich bremste scharf ab, bog von der Route 235 auf einen Dreckweg ab und sah von weitem eine Art offene Blechscheune. Links davon war ein Hundezwinger, in welchem ein deutscher Schäfer wie irre bellte und sich dabei um die eigene Achse drehte. Ich stieg aus und nahm an, dass dieses rechtsdrehende Biest wohl nichts Gutes im Sinn hatte. Ich war deshalb froh, dass ein Zaun mich von dem Hund trennte.
Nun trat ich in einen kleinen Werkstattladen rechts vom offenen Scheunentor ein und gleich kam ein Mann aus einer Art Hinterzimmer: Graues Haar, stahlblauer Pullover, ein rosige, ungesunde Gesichtshaut, glasige Augen.
"No way“ sprach er mit einer Grabesstimme, als ich ihm meinen Hydraulikzylinder präsentierte. Ob er wisse, wer das Ding flicken könne, frage ich. „No idea“, tönte es erneut im tiefstem Bass, wie er hier gerne für suggestive Radiowerbung („You have to get it!“) verwendet wird. Jetzt sagte ich beinahe flehend: „You know, it’s metric, it’s french” Doch das Rosagesicht drehte sich bereits ab, wünschte mir dann aber, wieder halb zu mir gewendet, doch noch ein tiefstimmiges “Good luck”.

Als ich aus dem Laden trat, rannte der Schäfer bellend entlang dem Zaun. Offenbar versprach er sich davon mehr Abschreckung als mit dem irren Drehen von vorhin. Ich sagte zu ihm : „Alles Gueti, gäll !“, die schweizerdeutsche Variante von Good luck, und stieg ins Auto ein.

Zurück beim Boot schaute ich im Internet nach und fand „Southern Maryland Hydraulics“ und den viel versprechenden Hinweis „metric fittings“. Ein Anruf - in Amerika muss man immer zuerst anrufen, bevor man irgendwo hin fährt - tönte gut. Und so fuhr ich wieder am gelben Briefkasten vorbei auf der 235, aber diesmal viel weiter, bis nach Waldorf nämlich, ca. eine Stunde Fahrt, bog dann links ab von der 235, Richtung Irongate Drive 18, wo der Chef von "Southern Maryland Hydraulics", ein hagerer Kerl im Pensionsalter, an einem Tisch hinter einem Kundenschalter sass und gerade rote Bohnen aus einem weissen Plastikteller löffelte. Daneben hatte er eine Büchse Cola Light.
Auf die Frage, ob er meinen Hydraulikzylinder flicken könne, sagte er: „Sure.“ Und seine Sekretärin, die seine Tochter hätte sein können (und es wohl auch war), brachte gleich ein Namensschild an und legte das Teil auf ein Gestell. Auch meine zweite Frage, wann ich es wieder abholen könne, beantwortete der Mann in einem einzigen Wort: „Tomorrow.“ „Ok“, sagte ich, „dann rufe ich Sie morgen an.“ „No, we call you“, sagte er nun in einem ersten vollständigen Satz. Und beim Wort „call“ öffnete er den Mund ungewöhnlich weit, so dass ich darin die roten Bohnen erblickte, die er gerade hinein geschoben, aber noch nicht gekaut hatte. Mir schoss die Frage durch den Kopf, ob diese Bohnen sein Mittag- oder eher sein Abendessen seien, denn es war mittlerweile 16 Uhr geworden.

„Oh, sure“, antwortete ich, und vielen Dank und „Good bye“. Und natürlich „Have a great evening". Dann stieg ich ins Auto und fuhr zurück. Auf der Heimweg dachte ich, dass dies trotz allem ein interessanter Bootsarbeitstag gewesen sei.

Montag, 13. Juni 2011

How was it?

West Marine, mein Bootsladen, will wissen, ob der neue Autopilot meine Wünsche erfüllt und wie’s mit der Zustellung geklappt hat. Die US-Bank nimmt es noch genauer und möchte die Frage klären, ob die Eröffnung des Kontos speditiv erfolgt sei; dann geht’s noch mehr ins Detail: wie beurteile ich die Navigation beim Anmeldevorgang, wird gefragt, und was halte ich von der angebotenen Hilfe per Helpseite/Livechat/Mail.

Burger King schliesslich fragt auf dem Kassenzettel kurz und bündig: „How was it?“ und bietet ein Gratis-Menu an fürs Mitmachen bei der Survey, sofern selbige innerhalb von 48 Stunden erfolgt. Void where prohibited by law! One coupon per customer! Legaleese halt, für das die Disclaimer-Anwälte 400 Dollar pro Stunde kassieren.

Die Befragung von Kunden nach getätigten Einkäufen bzw. erhaltenen Dienstleistungen ist so häufig, dass nur die Dümmsten ihre Zeit noch gratis hergeben, um die Unternehmen in ihren Marketinganstrengungen zu stärken bzw. den Profit zu maximieren. Denn darum geht es doch, oder?
Der Bootsladen zum Beispiel schreckt nicht davor zurück, zu fragen, ob man die Preise als "zu hoch" bzw. "zu niedrig" beurteile. Selbstverständlich kreuze ich „zu hoch“ an, Schlaumeier, der ich bin, denn ich möchte West Marine mit meinem kleinen Survey-Beitrag zu Preissenkungen veranlassen und hoffe dabei, dass andere Surveyisten meiner Logik folgen. Wer „zu niedrig“ wählt, würde sich in der anonymen Masse der Konsumenten automatisch als Preistreiber schuldig machen. Gut wäre allerdings, wenn man die Wahl hätte, anzukreuzen: „Zu niedrig, wenn Sie anständige Löhne bezahlen müssten.“ Aber das ist ein anderes Thema. Die ganze Umfragerei spielt sich ohnehin in einem engen Korsett gängiger Zufriedenheitsanforderungen ab; Platz für eine ideologische Diskussion gibt es da nicht.

Ich wette, dass in der Schweiz das Tool der Kundenbefragung bald auch seinen Siegeszug durch die Waren- und Dienstleistungswelt antreten wird. Ich erlaube mir deshalb gleich mit dem guten Beispiel voran zu gehen und frage Sie: Wie war dieser Blogbeitrag? Zu lang, zu kurz?
Und wie war der Schluss? Zum Gähnen?
Wie bitte? Korrigieren Sie das bitte sofort!
So ist gut! Vielen Dank, dass Sie an der Umfrage teilgenommen haben. Have a nice day.

Donnerstag, 9. Juni 2011

Unsere Miranda - frisch gestrichen

Bei 35 Grad am Schatten und einer brutal hohen Luftfeuchtigkeit hier in Solomons ist mein Hirni weich geworden, sodass ich die Arbeit am Boot einstellte. Dreimaliger Gang zu einer Miniute Maid zwecks Bezug von Fanta hat da gar nichts mehr genützt, ja den Zustand langsamen Denkens eher verschlimmert. Doch für ein Photo reichte es noch. Und ich muss sagen: Unsere Miranda sieht schick aus, ich habe das frühere Eierschalenweiss am Rumpf durch ein weisses Weiss ersetzt, was mehr Ovni-Look ergibt. Die Wasserlinie habe ich mit Trilux-Antifouling - leider nur in Off-White erhältlich - gestrichen, nachdem die ursprüngliche Zwei-Komponenten-Farbe dem Salzwasser nicht standgehalten hatte.
Das Bild ist extra aus einer gewissen Distanz aufgenommen worden, weil aus der Nähe betrachtet, sich schon der eine oder andere Patzer erkennen liesse. Und das wollten wir vermeiden. Die richtige Reihenfolge wäre gewesen, das Deck vor dem Aufkleben des neuen Antiskid zu schleifen, dann den Treadmaster aufzukleben und dann zu malen. Doch die Chance wurde 2006 verpasst, als die neuen Anti-Rutschmatten montiert wurden. Und so ist das Boot nun halt nur aus der Ferne eine wirkliche Beauty.

Montag, 30. Mai 2011

Ein perfektes Memorial Day Weekend

Das Wochenende von Memorial Day markiert den Beginn des Sommers in Amerika und das wird überall gefeiert. Paul und ich fuhren deshalb am Samstag Nachmittag zu Ken, einem pensionierten Bundesbeamten, der an seinem Steg Krabben fängt.
Ungefähr ein Dutzend holt er pro Tag raus. Wir bekam 40 aus seinen zwei Reusen, die Ken an einer Leine frisch aus dem Wasser holte. Zu Hause angekommen, gaben wir die Hälfte unseren Nachbarn, die im Laufe des Tages immer mehr Familienbesuch bekommen hatten. Selbst heizten wir einen Topf auf dem Gaskocher im Freien, gaben Bier und Essig hinein. Und schütteten dann die bedauernswerten Kreaturen in den Dampf, würzten sie mit Krabben-Würzmix, dann Deckel drauf und 15 Minuten steamen.
Als die Krabben gar waren, versammelten wir uns auf der Terrasse, um mit Hammer und Messer an das Krabbenfleisch zu kommen. Das Knacken der Krabben ist eine Riesenarbeit, die verstanden sein will. Zu dem herausgepulten zarten Fleisch gab es Maiskolben und einen leichten französischen Weisswein – ein Festessen.
Am Sonntag dann segelten wir mit A und Y bei schönstem Wetter und wenig Wind zusammen mit Dutzenden andern Booten kreuz und quer in der Mündung des Patuxent River, einem idealen Segelrevier südlich von Washington, wo wir vor 20 Jahren als Anfänger alle denkbaren nautischen Fehler gemacht hatten. Später tuckerten wir den Fluss hinauf in einen einsamen Creek, wo wir zusammen mit ein paar andern Booten ankerten. Wir holten den Bootsgrill hervor und grillierten Steaks.
Als es dunkelte, zündeten wir die Laterne an, welche bald von Hunderten von Mayflies umschwärmt wurde, weshalb wir uns bald schlafen legten. Der Morgen dann war so still wie sonst nirgends in der Zivilisation. Die Sonne ging auf über dem spiegelglatten Wasser und ich suchte einen WLAN, um Zeitung zu lesen und das Facebook zu checken. Ein perfektes Memorial Day Weekend.

Mittwoch, 25. Mai 2011

Sparen beim Fliegen

Die Fluggesellschaften erfinden immer neue Wege, um uns Billigstfliegern zu sagen, dass wir ihre allerletzten Kunden sind , weil wir für einen Flug am liebsten nichts bezahlen würden und dafür aber auch bereit sind, jede nur erdenkliche Unannehmlichkeit in Kauf nehmen. So bestraft uns United Airlines für unsern angeborenen Sparzwang neustens damit, dass wir auf Transatlantik-Flügen nur noch ein Gepäckstück gratis mitnehmen dürfen. Und beim Check-in im Internet versucht die US-Gesellschaft krampfhaft, uns davon abzuhalten, den gekauften Billigsitz zu wählen. Statt dessen wird dafür geworben, knapp 100 Franken mehr zu zahlen für einen besseren Platz.
Doch was heisst besser? Der Platz bietet gut 20 Zentimeter mehr Beinfreiheit und befindet sich etwas weiter vorne in der Kabine, aber natürlich immer noch in der Holzklasse. Und das wär’s dann auch schon.

Ich gehöre zu jenen, die solche „Upgrades“ und alle anderen modernen Strafzölle für Getränke, „zusätzliche“ Gepäckstücke und dergleichen eisern ignorieren. Ich wäre bereit, notfalls mit angezogenen Knieen über den Atlantik zu fliegen, falls man für das Ausstrecken der Beine künftig 100 Franken „upgrade“ bezahlen muss.

Und ich beklage mich nicht, sondern beobachte mit Hochgenuss, dass die Vermarktung des 20-Zentimeter-Upgrades bei United zu einem logistischen Albtraum geführt hat. Das System funktioniert nämlich höchstens in vollen Kabinen. Sobald es genügend Platz hat, wie am Dienstag auf dem Flug nach Washington, entsteht die dumme Situation, dass die Upgrade-Passagiere die Gehörnten sind, weil sie 100 Franken für etwas bezahlt hatten, das sie auch gratis hätten haben können. Zusätzlich muss das Kabinenpersonal unmittelbar vor dem Start Polizei spielen und die Billigst-Passagiere davor warnen, knapp vor dem Start den Sitz zu wechseln und einen freien Upgrade-Platz zu ergattern. Dieses Sesselhüpfen ist sonst ein beliebtes Game, um zum Beispiel neben einen leeren Mittelsitz zu kommen.

Doch warum sollten wir unseren Billig-Platz wechseln? Viele hatten – wie ich – in der leeren Dreierreihe bzw. dank nicht belegtem Mittelsitz eh so viel Platz wie noch nie für die 400 Franken, die wir bezahlt hatten. Also: Hände weg von zweifelhaften Upgrade-Angeboten.

Montag, 9. Mai 2011

Mit dem Bus nach DC

Der letzte Pendlerbus verlässt Solomons am Morgen um 6. 50 h und kommt nach 90 km Fahrt kurz vor 9 Uhr in Washington DC an, gerade rechtzeitig, damit auch die letzten der dort beschäftigten Bundesbeamten noch an ihre Pulte hechten können. Danach gibt’s nichts mehr bis am andern Morgen um 4.35 h, wenn der erste Bus losfährt.
In der Gegenrichtung fährt der erste Bus um 12 Uhr und der letzte um 17.40 h aus der Stadt Washington ab, die übrigens niemand so nennt. Die Locals nennen ihre Stadt ausschliesslich „DC“, nach dem Kürzel der Verwaltungseinheit District of Columbia. Aber item: Das Monatsabo für den Bus kostet 170 Dollar; man kann gegen Aufpreis sogar eine Art Regenbogenabo kaufen und in der Grossagglomeration damit zusätzlich die Metro benutzen.

Fast alle Buspendler müssen an ihrem Wohnort trotz öV ihr Auto benutzen, weil der Bus mitten im Grünen vom Parkplatz einer Kirche in Autobahnnähe wegfährt und auch dort wieder ankommt. Aber immerhin: sie sparen Benzin, denn Treibstoffe sind in den USA überdurchschnittlich teurer geworden. In der Schweiz hat Benzin seit einem temporären Tiefstand im Jahr 2009 (Fr. 1.40) um gut 20 Prozent aufgeschlagen. In den USA sind es 60 Prozent.

Den Grund muss man nicht weit suchen: Der Wertzerfall des Dollars verteuert im Land des Greenback die Treibstoffpreise um ein Vielfaches gemessen mit Europa. Die Amerikaner zahlen also zweimal für die Finanzkrise: einmal durch die Entwertung ihrer Einfamilienhäuser, Pensionsguthaben und Aktienportefeuilles als direkte Folge des Crashs vom Herbst 2008. Und jetzt ein zweitesmal im Alltag an der Tankstelle - und generell beim Kauf von Importgütern, wobei der Treibstoff am meisten ins Gewicht fällt.

Wegen der krisenhaften Entwicklung des Benzinpreises gibt es im Kongress den Plan, mehr eigenes Erdöl zu fördern, auch unter Inkaufnahme von Umweltrisiken wie erlebt im Golf von Mexiko im vergangenen Jahr. Der Treibstoffpreis ist zu einem Topthema avanciert. In ganzseitigen Inseraten in der "Washington Post" propagiert der Verband der einheimischen Erdölproduzenten eine neue, nationale Förderpolitik.

Doch diese Politik nützt am Ende den Konsumenten herzlich wenig, es profitieren vor allem die Erdölgesellschaften; denn für Oel werden längst Weltmarktpreise bezahlt - unabhängig davon, aus welchem Land das Oel stammt. Die Hoffnung auf günstige Benzinpreise durch eigenes Erdöl ist also ein Irrglaube. Die Folge sind hohe Umweltrisiken und hohe Gewinne der Erdölfirmen. Ein Grund mehr, auf den Bus umzusteigen auf dem Weg nach DC.

Sonntag, 8. Mai 2011

Küssen oder umarmen?

Man kann die Welt einteilen in Hugger und Küsser. Frankreich ist ein klarer Fall (alles Küsser, regional sind es vier Küsse zur Begrüssung), Deutschland ist ziemlich klar, und in der Schweiz dominieren die drei Begrüssungsküsse, wenngleich es bei uns mittlerweile eine Minderheit von HuggerInnen gibt, Umarmer also. In den USA ist es von Familie zu Familie unterschiedlich. „Wir sind Hugger“, sagte mir kürzlich eine Bekannte, wobei ich das Gefühl habe, es handle sich um die Mehrheit.

Bei Fremden ist der Fall eh klar: Huggen ist die Norm. Die Männer untereinander umarmen sich eher ein bisschen schüchtern, klopfen sich dafür gerne so halb ermunternd, halb patronisierend, auf den Rücken. Von Frauen wird man oft richtig in den Schwitzkasten genommen. Diese typisch weibliche Umarmungszange empfinde ich als unangenehm und als den grössten Nachteil des Huggens.

Hugs haben dafür den Vorteil, dass sie nicht nur zur Begrüssung angewendet werden können, sondern auch als Geste der Teilnahme geeignet sind, für welche die Küsser nichts haben, ausser vielleicht einen Händedruck, aber der geht nur in schweren Fällen. Umarmen hingegen kann man sich bei fast allen Wechselfällen des Lebens, von schlechten Noten in der Schule bis zur Nachricht, vom Freund oder der Freundin verlassen worden zu sein. Plus die Umarmung für alle positiven News.

Umarmungen sind weniger intim und deshalb handelt es sich um eine niederschwellige Geste. Obama hat beim Treffen mit Angehörigen des 9/11 auf dem Ground Zero Teilnehmende umarmt; küssen wäre unangebracht gewesen. Umarmen können sich auch Menschen, die sich nicht nahe stehen. Linda zum Beispiel haben wir beim ersten Wiedersehen umarmt, unsere Vertraute in der Bootswerft hier in Solomons, die wir seit fast 20 Jahren kennen, aber keinen echten persönlichen Kontakt haben. Huggen ging hier gut, küssen hingegen nicht – und ein Händedruck wäre zu offiziell gewesen. Vieles spricht fürs Umarmen, doch wenn ich die Wahl habe, dann bleibe ich Küsser.

Samstag, 7. Mai 2011

Warnung vor dem Hunde

Wer in den USA lebt, wird von einem Dauerregen von Warnungen berieselt. Objekte „may be closer than they appear“, lese ich im Rückspiegel des Autos und vergesse beinahe, den Blick wieder voraus zu richten. Und eine Inschrift auf der Leiter will mich unbedingt davon abhalten, auf die oberste Sprosse zu steigen. Warum gibt es sie denn?
Weil in Einkaufszentren und Bürogebäuden in Englisch („Caution! Wet Floor“) und Spanisch vor frisch gereinigten Böden gewarnt wird, weiss ich, dass nasser Fussboden „Piso mojado“ heisst. Das bereichert meinen mageren Wortschatz auch dort, wo der Boden längst wieder trocken ist. Nicht genug: Gebrauchsanleitungen für an sich harmlose Elektrogeräte überschütten uns auf den ersten Seiten mit einer Litanei von Selbstverständlichkeiten: „Bitte Produkt nicht umbauen. Kann zu Verletzung oder Tod führen“, steht im Manual für meinen neuen Laptopadapter. Ich muss sagen, auf den Gedanken, das Ding umzubauen, wäre ich nie gekommen.

Weil wir immer dicker werden, braucht es auf allen Lebensmitteln Warnungen, eine Art Krisenkommunikation im Alltag: Man informiert mich obligatorisch über die notwendige Kaloriendosis pro Tag und inwieweit selbige mit einer Portion (genannt „serving“) meiner Lieblingschips bereits innert Minuten überschritten sein könnte. Die Portionen werden je nach Produkt total willkürlich gewählt, wohl ein Kompromiss gegenüber den starken Food-Lobbies im Kongress. Man ist deshalb dauernd zu schwierigen Kopfrechnungen gezwungen, wenn man der Gefahr der Falschernährung entgegen wirken will. Kein Wunder, sind viele AmerikanerInnen so dick.

Besonders lästig sind die Warnungen von rückwärts fahrenden Lastwagen. Es ertönen schrille Pfeifftöne, die auch jene treffen, die sich weit weg vom Heck des Fahrzeugs aufhalten. Und schliesslich das Wetter: Es gibt kleine Geräte, die automatisch einschalten, sobald der Wetterdienst eine Warnung in petto hat. Man unterbricht das Gespräch oder schaltet den Fernseher auf stumm und hört andächtig zu, was sich Schlimmes ereignen könnte. Geht sogar ein bisschen in sich, da unvermittelt konfrontiert mit den Unbilden von Mutter Natur. Doch dann passiert gar nichts. Gottseidank nur eine Warnung – eine von vielen.

Donnerstag, 28. April 2011

Guess where we are!

Nach 5 Tagen im Intracoastal Waterway und einer Nacht segeln in der Chesapeake Bay, von Norfolk nach Solomons, sind wir in "unserem" Creek angekommen, wo wir die besten Zeiten der neunziger Jahre verbrachten und wo uns unsere Freunde bereits erwarteten, sodass mein Anruf am Morgen "Guess where we are!" zu meiner eigenen Ueberraschung total ins Leere fiel. Die Antwort war: "Wir haben Euch längst gesehen: At Norms dock."

Und hier in dem kleinen Paradies, genannt Lusby Landing, wollen wir nun eine Weile bleiben. Wie lange, wissen wir nicht. Müssen wir auch nicht wissen. Es gibt viel Arbeit am Boot: Ein Team von Innenarchitekten beschäftigt sich mit der Frage, wie die Einzelzelle, genant Gästekabine, in eine moderne Erlebniswelt umgestaltet werden kann. Dann haben wir einen Stardisgner engagiert, der aus dem Salon das Beste herausholen soll. Es geht um eine Lösung zwischen einem dunklen Raum, der an ein verrauchtes Pub erinnert und etwas, was wir auch nicht wollen, nämlich ein Bootsinneres wie aus der Kinderzimmerabteilung von IKEA, wie es viele moderne Schiffe heute haben. Etwas anderes muss es sein, aber über das Wie und was soll sich der Stardesigner bzw. mindestens sein Gehilfe, den Kopf zerbrechen.

Dann muss ein neues Rig her, das sind die Stahlseile, die den Mast senkrecht halten und die nach weit über 10 000 Meilen und sieben Jahren ersetzt werden sollten. Schliesslich Tausende von Details und Kleinigkeiten, ein Adapter, um den VHF dauernd auf Volladung zu haben, weil Batterien immer dann am Ende sind, wenn man dringend funken möchte. Wintschen sind zu servicen; den Herd wollen wir ersetzen. Dann kommt das Boot unter die Fittiche von Dieselmechanikern und Hydraulikspezialisten. Undundund.

Das alles bedeutet, liebe Blogleserinnen und -leser, dass das Ende der Einträge wieder einmal nah ist. Kann sein, dass die eine oder andere Notiz in den nächsten Wochen geschrieben wird. Aber dafür lohnt es sich nicht, täglich nachzusehen im Blog, wiewohl Google-Analytics dies mit guten Zahlen honoriert.

Im Verlaufe des Sommers wollen wir dann wieder segeln mit unserem frisch umgebauten, restaurierten, revidierten und auf Vordermann gebrachten Schiff. Und dann gibt's sicher wieder was zu erzählen.

Samstag, 23. April 2011

Im Intracoastal Waterway

Wir sind seit zwei Tagen auf dem Intracoastal Waterway unterwegs, der Maine mit Florida als Wasserstrasse verbindet und auf der man unbehelligt von Golfstrom, Hurrikanen oder auch nur gewöhnlichen Stürmen geruhsam mit dem Boot reisen kann. Es ist noch früh in der Saison, doch schon jetzt bilden sich tagsüber kleine Kolonnen von Booten, die alle mit fast gleicher Geschwindigkeit nordwärts tuckern.

Wir haben das Gewässer unterschätzt. Denn die Strecke führt nur zum Teil in Kanälen, immer wieder kommt man auf offene Gewässer, den Neuse River zum Beispiel, der nur "River" heisst, aber eigentlich ein geschlossenes Meer bildet. Und dieses hat es in sich: Gestern frischte der nördliche Wind am Nachmittag plötzlich auf und sofort bildeten sich in dem flachen Gewässer (Tiefe meist ca 5 Meter) steile, kurze Wellen, in denen sich unser Boot feststampfte. Wir nahmen Zuflucht im Ort Oriental, der unseren Aufenthalt mit einer tollen Bar, der "Tiki-Bar" honorierte, wo wir lange hängen blieben.

Heute gings bei südllichen Winden weiter, eine angenehme Reise, die allerdings - die Lehren von gestern - genau geplant sein will. Wir hatten uns rechtzeitig Belhaven als Etappenort ausgesucht plus uns noch überlegt, wo man Halt machen könnte, wenn das Wetter wieder schlecht würde.

Die morgige Etappe dann hat auf fast 50 Meilen keine Ankerplätze und keine Marinas, 22 Meilen sind in einem Kanal, an dessen Ufern man laut Guide nirgendwo anlegen kann. Deshalb legen wir früh am Morgen ab - und entsprechend wird die Zeit an der Bar heute abend gekürzt.

Blitzschutz II

Auf den Blitzschutz-Blog hin hat sich Thomas gemeldet, der auf seiner "Novarra" ein Bäseli intalliert hatte. Er durfte beziehungsweise musste erleben, dass der Blitz keinen der beiden Carbonmasten angriff, aber sich den Windgenerator pickte "ein magischer Anziehungspunkt für Blitze, denn es passierte 2x", schreibt Thomas.

Der Witz des Blitzschutzes wäre natürlich, meine ich, dass er das ganze Boot schützt, nicht nur den Mast (oder die Masten). Oder sehe ich das falsch und man müsste gleich mehrere dieser Flaschenputzer montieren, einen davon auf dem Windgenerator?

Irgendwie Mist alles - und ich unterstütze deshalb die Theorie von Chris: "It's cheaper to go to church." Jetzt wo noch Ostern ist sowieso.

Donnerstag, 21. April 2011

Blitzschutz

Man sieht sie nur in Amerika: Boote mit einer Art Flaschenputzer auf dem Mast. Es handelt sich um einen Blitzschutz, erhältlich für 200 Dollar. Die Wirkung ist umstritten und Chris, mein amerikanischer Vertrauensmann in Sachen Gadgets, sagte mir, als ich das Bäseli für unser erstes Boot gekauft hatte, er finde es günstiger, to go to church.

Die Firma, die das Maststück vertreibt, ersetzt jedem Bootseigner den Schaden, wenn seine Yacht trotz Flaschenputzer vom Blitz getroffen wird. Das Unternehmen hat bisher nie zahlen müssen. Frage deshalb: Fürchtet der Blitz das Ding wie der Teufel das geweihte Wasser?

Nein, die Geschichte geht anders: Der kleine Blitzschützer hat Statistiker, oder besser vielleicht: Wahrscheinlichkeitsrechner, auf den Plan gerufen. Sie argumentieren: Blitzeinschläge auf Booten sind so selten, dass die Chance klein ist, dass ein Blitz ausgerechnet eins mit Flaschenputzer trifft. Es wird sich daher statistisch nie nachweisen lassen, ob der Blitzschutz wirksam ist. Ein oder zwei Ausreisser würden ja noch nichts bedeuten - oder?!

Deshalb folgen wir bei unserem jetzigen Boot der günstigeren Variante von Chris und haben keinen Blitzschutz montiert. Und wir erinnern uns auch noch an eine mittlerweile sehr betagte Fernsehwerbung aus der Schweiz, die mit dem Satz begann: "Kennen Sie einen, der vom Blitz erschlagen wurde?" Sehen Sie!

Mittwoch, 20. April 2011

Der Golfstrom

Plötzlich war er da, der Strom, der uns vorwärts schob. Mit bis zu 5 Knoten. So hatten wir auf einmal ein Boot, das echte Performance lieferte: wir bretterten mit 10 Knoten nordwärts. Kein Wunder, schlugen wir bald alle unsere eigenen Rekorde. Doch um 4 Uhr am Morgen die grosse Ernüchterung: Der Strom hatte nachgelassen, weil wir näher zum Land gekomemn waren. Und so tuckerten wir die letzten 40 Meilen stilvoll vorwärts, wie wir das gewohnt sind, bei ca 5 Knoten.
In Beauforts Docks, einer kleinen Marina, machten wir am frühen Nachmittag die Leinen fest, dankbar, dass wir den voraussichtlichen Ankunftstermin nach Mitternacht locker geschlagen hatten, dann telefonierten wir dem US-Zoll und gingen essen inkl. Dessert (Cheesecake) und Kaffee.

Sonntag, 17. April 2011

Unterwegs V

Wir sind 24 Stunden gesegelt, ohne je den Anlasser zu betätigen. Nun haben wir keine Dieselsorgen mehr, ja wir konnten sogar noch einen Vorrat anlegen. Allerdings: bereits meldeten sich erste Gewitter, ein kleines gab's zum Zmorgen, nun hellt es wieder auf - und wir hoffen, dass auch der gute Wind zurückkommt für die restlichen 300 Meilen bis Beaufort in North Carolina. Neu ist, dass es kühler ist, besonders nachts, und so kommen die Windjacken und -hosen zum Einsatz, das Billig-Modell von "Compass" übrigens, das bereits zwei Atlantiküberquerungen überstanden hat. Es muss also nicht unbedingt immer "offshore" und "haut de gamme" sein.

Freitag, 15. April 2011

Unterwegs IV

Seit der elektrische Autopilot repariert ist, gibt es so etwas wie Komfort beim Motoren: Wir müssen zum Schaden der Flaute nicht mehr den Spott des Selbersteuerns ertragen. Habe das Ding dreimal auseinandergenommen und wieder zusammen gesetzt, bis mir klar geworden ist, dass der Kupplungshebel nicht richtig funktioniert, lauter Plastik halt von Raymarine.
Doch wir sind auch gesegelt: Während der Nacht hatten wir guten Wind und können ein Etmal (Distanz in 24 Stunden) von 84 Meilen vorweisen. Nun sind es noch drei Tage bis zur imaginären Kreuzung, wo wir entscheiden, ob wir je nach Wetter nach Wilmington oder gar westlich nach Charleston segeln - oder bei guter Meteo wie geplant direkt nach Beaufort (North Carolina).
Die Stimmung an Bord ist ausgezeichnet: Kein Wunder, wir feiern heute den 34. Hochzeitstag. Während ich ins Meer hinaus guckte, geht mir durch den Kopf, wie alt wir wären, wenn nochmals 34 Jahre hinzu kämen. Naja.

Donnerstag, 14. April 2011

Unterwegs III

Wir haben nun zwei Tage Flaute hinter uns; es ist unglaublich, wie ruhig es auf dem Meer sein kann, wenn kein Lüftchen das Wasser kräuselt. Seit Donnerstagnacht jedoch läuft es wieder einigermassen. Allerdings: Wir haben unerwartet Strömung gegen uns, wo wir dachten und lasen, es gebe einen Antillenstrom, der nordwestlich setzt und von dem wir profitieren könnten. Das ist natürlich ein Frust. Immerhin: Mit dem Wind heute sparen wir Diesel und kommen erst noch vorwärts.

Dienstag, 12. April 2011

Unterwegs II

Zuerst ist es nur eine Ahnung. Wind? Dann meldet die Gesichtshaut: Ja, echt. Und dann hofft man, dass das, was da aufkommt, nachhaltig sein möge, in der alten Bedeutung des Wortes, nämlich von Dauer. Und siehe da: Nach sechs Stunden motoren in der Flaute kriegten wir gestern ab 14.30 Uhr Wind, der bis zum Dienstmorgen anhielt. Uns wurde also die befürchtete nächtliche Flaute erspart - und wir machten wunderbare Meilen.
Das beste aber: Unsere Dieselvorräte werden im Moment geschont. Wir könnten mittlerweile fast 650 Meilen motoren, bei total gut 850 bis Beaufort in North Carolina. Was stecklt dahinter? Peace of mind wäre, wenn wir dereinst die gleiche Anzahl unter Motor laufen könnten wie insgesamt zu machen sind. Nicht das wir das wollten oder damit rechneten, solche Strecken mit dem Diesel abzurackern. Aber psychologisch ist es ausserordentlich angenehm,zu wissen, bei Flaute den Motor anwerfen zu können, ohne damit rechnen zu müssen, 100 Meilen vor dem Ziel auf dem trockenen zu sitzen.
Ohne viel Diesel geht es nicht. Als wir die gleiche Strecke vor sieben Jahren, im Juni 2004, schon einmal machten, hatten wir nur wenige Liter bei uns und sind fast versauert. "Vielleicht sind wir an Weihnachten noch hier", sagte ich damals zu Agnes. Inzwischen haben wir im Routenbuch von Jimmy Cornell gelesen, dass in diesen Breiten Flauten üblich sind und man entsprechend in Erdölprodukte investieren sollte. Im Moment laufen wir aber fast 5 Knoten - schönes segeln und angenehmes Diesel sparen.

Montag, 11. April 2011

Unterwegs

Die ersten zwei Tage auf unserem Weg Richtung Ost-Küste der USA liefen sehr gut, guter Wind, wenig Wellen. Nun haben wir eher mit Flaute zu kämpfen und sind dabei, eine Taktik für den Verbrauch unserer Dieselvorräte zu entwickeln. Das momentane Modell lautet: In den Flauten während des Tages motoren, nachts hingegen dümpeln. Dann ist es schön ruhig im Boot, kein Motorenlärm, und wir können schlafen. Ueberraschenderweise gab es dann nachts einen unverhofft guten Wind, sodass wir vorwärtskamen und der Schlaf der Wachfreien nicht gestört wurde. Die Ruderfixation hat sich bis jetzt bewährt, kaum Probleme mit Vibration oder schlechter Anströmung. Peace of mind.

Montag, 4. April 2011

Ruder fixiert

Wir hatten endgültig genug von unserem unzuverlässigen Ruder, dessen Hydraulik uns seit drei Monaten Sorgen macht, die jeweils nicht ganz billig verscheucht werden müssen. Heute haben wir zur Ultima ratio gegriffen und das Boot zum dritten Mal seit Januar aus dem Wasser genommen.

Skip, ein Rigger hier in St.Thomas, hat uns eine Fixierung angebracht in der Form eines Stahlkabels. Der sympathiasche Mann hat nicht nur ganze Arbeit geleistet, wir bekamen nützliche Ratschläge, wie man Stalok-Systeme richtig montiert, nämlich erst zuschraubt, dann nochmals aufmacht und mit Silikon füllt, damit auf keinen Fall Wasser eindringen kann. Der oberste Teil, das schwarze Band auf dem Bild, ist übrigens ein gespleistes Kevlar-Band.

Das alles hat Skip uns gezeigt und montiert, gut gelaunt und voller Engagement. Das Ruder kann sich somit nicht mehr selbständig hochklappen und sollte nun immer in der vertikalen Position verharren. Weil der Hydraulik-Arm nun ständig freigelegt und den Kleinsbiestern im Meerwasser ausgesetzt ist, musste auch er geschützt werden. Dies geschah mittels eines Schlauchs. Alles technische Geschichten und no fun. Aber so ist das Leben halt manchmal. Dafür liegen wir nun in einer wunderschönen, ruhigen Meeresbucht im Osten von St. Thomas und bereiten uns auf den grossen Trip vor Richtung US-Ostküste. Wetterseiten herunterladen ist im Moment obligatorisch.

Dienstag, 29. März 2011

Gas-Grenze

Zwischen Europa und den USA gibt es eine unsichtbare, aber nichtsdestotrotz unüberwindbare Grenze. Die beiden Weltregionen haben unterschiedliche Gas-Systeme: In den USA wird Propan verwendet in wiederverwendbaren Flaschen, in Europa Camping-Gas, auf Butan-Basis und mit Flaschen, die man kauft und dann jeweils gegen volle eintauscht.

Die beiden Systeme sind kompromisslos getrennt. In den USA kann man kein Camping-Gas kaufen, in Europa ist mit den US-Flaschen absolut nichts anzufangen und deshalb habe ich die teuren Alu-Flaschen von einer früheren Atlantiküberquerung mangels Platz in Frankreich weggeworfen.

Bereits vor diesem Verlust sind wir mal in ganz New Jersey herumgestolpert, um die bittere Tatsache der absoluten Gasgrenzen zu kopfen. Am Ende standen wir vor der zentralen Abfüllstation und mussten es endlich glauben: nichts zu machen.

Nun ist uns die Geschichte ein zweites Mal passiert. Wir wussten nicht, dass die Gas-Grenze in der Karibik zwischen St. Kitts und Guadeloupe verläuft und so stand ich letzte Woche nach stundenlangen Laufereien wieder vor einer zentralen Abfüllfabrik in Basseterre - wo man über meine blaue Campinggas-Flasche nur den Kopf schüttelte. Inzwischen habe ich auf US-Virgin Islands zum US-System gewechselt.

Der absolute Spezialist in der Schweiz für europäische und amerikanische Anschlüsse ist übrigens die Firma Selzam in Winterthur, wo Uebergänge für die beiden Systeme erhältlich sind, damit der Gasfernschalter (auch bei Selzam gekauft) weiterhin funktioniert. Auch der Gasherd funktioniert mit beiden Systemen, wie Agnes gerade beweist: Sie ist dabei, für den Abend eine feine Lammsuppe zu basteln.

Montag, 28. März 2011

Der verlängerte Arm des Skippers

Der Nachbar am Steg fragte uns, ob wir beim Ablegen eine Hand bräuchten. "Gerne", sagten wir. Und da setzte er in schönstem Deutsch nach: "Bitte dann mit klaren Kommandos." Wir hätten "Kommandi" gesagt, doch darum geht es nicht. Denn der hilfsbereite Segler hat uns nur daran erinnert, dass er der deutschen Seglersprache mächtig sei, ein Wortregelwerk, das gerne als "der verlängerte Arm des Skippers" beschrieben wird.

Wir sind der elaboraten Befehle und Quittierung derselben nicht mächtig, sondern behelfen uns mit einem Gemisch, sagen auch schon mal: "Fest ziehen" oder Lass los" Und so kommandierte ich unserer Hand dann also, sie möge nun die hintere Leine lösen, gut, danke, und jetzt die mittlere - und dann dampften wir ein. Auch so ein Fachchinesisch: Es bedeutet, Gas geben und das Boot in eine noch angezogene vordere Leine hineindampfen lassen. Wie durch ein Wunder dreht sich dann bei umgelegtem Ruder das Heck weg vom Quai und man kann trotz auflandigem Wind ablegen.

Gesagt getan. Der Rest der 140 Meilen von St.Kitts nach US-Virgin Islands ist kaum erwähnenswert: Ein wundererbarer raumer (von der Seite kommender) Wind, fast keine Wellen, ein ruhiges Boot, das uns zwischen den Wachen nachts auch gut schlafen liess. Gut gelaunt kamen wir an und gingen zum US-Zoll. Und dort? Nix dort: Wir wurden freundlich und zuvorkommend behandelt - und sassen eine Dreiviertelstunde nach der Ankunft bereits in der Hafenbeiz.

Freitag, 25. März 2011

Der Mann ohne Schatten

Heute gab es wieder einmal einen pflanzenkundlichen Morgen. Mit Burt, einem lokalen Führer, machten wir eine Wanderung im Regenwald, vorbei an Tarzans Lianen und geschützten Mahagoni-Bäumen. Auch haben wir den Whiteman's tree gesehen - warum der nur so heisst? Antwort: Weil er aussieht, als hätte er - typisch weiss - einen Sonnebrand, sagt Burt lachend. Zu einer andern Stelle neben dem kleinen Fluss auf unserem Weg trägt man den Schatten, um ihn bei einem Fledermausbaum niederzulegen. Etwas beklommen gucken wir auf die Stelle, wo unsere Schatten zu liegen kämen. Dann essen wir von einer Nuss, die wie Banane schmeckt und die die Monkeys lieben, die hier im Wald zu Hause sind. Es sind kleine Affen, die Einheimische auf den Schultern tragen, um sie den Touristen gegen ein bisschen Geld vorzuführen. Einmal legte sich Burt eine Art Winde um den Hals und sagte, das wirke sofort bei Halskehre. Ich fragte ihn, ob er Lehrer sei oder Biologe? "Nein", antwortete er, "ich habe alles Wissen von meinen Vorfahren." Es war ein lehrreicher Vormittag. Am meisten beeindruckt hat mich, dass man andern Menschen den Schatten wegnehmen kann. Das Motiv kommt auch bei uns vor in Sagen - und in einer alten Krimiserie mit dem Titel "Der Mann ohne Schatten"

Donnerstag, 24. März 2011

KreuzfahrerInnen

St. Kitts ist wie Grenada, Barbados und andere Karibikinseln eine Destination der Kreuzfahrtindustrie. Jeden Morgen zwischen sieben und acht Uhr legen die schwimmenden Hotelfabriken an extra für sie gebauten Quais an. Tagsüber strömen Hunderte (oder sind es Tausende) von KreuzfahrerInnen dann in die Strassen der jeweiligen Orte, die für sie präparioert worden sind. In Barbados zum Beispiel ist die Hauptstrasse in der Altstadt in ein Duty-free-Center umgebaut worden. In St. Kitts ist ein neues Einkaufszentrum beim Hafen gebaut worden. Doch egal wo: Die Läden bieten alle das gleiche an: Kleider, Souvenirs, Alkohol, Uhren, Schmuck und Diamanten.

Kann man an jedem Ort einen neuen Diamanten kaufen? Nein, das System funktioniert wohl eher so, dass die Gäste durch das Auftauchen der immer gleichen Läden an jedem Ort langsam weich gekocht werden und am Schluss noch der hinterletzte so einen Diamanten postet oder eine Uhr oder einen teuren Whiskey.

Pünktlich um 17 Uhr sind jeweils alle Konsumenten wieder an Bord und das Riesenschiff legt ab. Nachts, wenn wir selber segeln, sehen wir die hell erleuchteten Hotels dann jeweils in der karibischen See vor sich hin dümpeln; die Distanzen zwischen den einzelnen Inseln sind kurz, sodass die Schiffe nachts Pausen einlegen müssen, um nicht lange vor Ladenöffnung an der nächsten Destination aufzukreuzen.

Dienstag, 22. März 2011

Nach St.Kitts

Nach über einem Monat auf Guadeloupe haben wir die Insel zum Abschluss mit dem Boot umrundet und dann an der Südwestspitze Kurs auf St.Kitts genommen. Wir hätten als Abkürzung auch einen kleinen Fluss zwischen den beiden Inselstücken befahren können. Doch die Brücke öffnet nur um 5 Uhr morgens. Und wir hatten keine Lust, uns zu einem so frühen Zeitpunkt dort beim gnädigen Brückenöffner einzufinden. So nahmen wir den Umweg in Kauf. Um so mehr, als er 120 Meilen verhiess, das ist eine nach unserem Geschmack ideale 24-Stundendistanz. Die Zeit vergeht schnell, vor allem nachts.

Ein wunderbarer Wind pushte uns vorwärts, ungeachtet zum Teil konfuser Wellen. Wir hatten das dritte Reff eingezogen und die Genua bis zu einem kleinen Fetzchen eingerollt - und trotzdem liefen wir 6 Knoten. Nachts passierten wir Monserrat, die Insel, deren Vulkan wieder aktiv ist. Plötzlich nahmen wir den Geruch war, auf schweizerdeutsch eine Art "bräsele", würde ich sagen. Und ein bisschen auch wie Braunkohle, bekannt von Spaziergängen in winterlichen Stadtstrassen in der DDR, deren Häuser mit Braunkohle geheizt wurden.

Der Vulkan hatte 1995 den südlichen Teil der Insel zerstört, eine kleine Katastrophe verglichen mit dem,. was wir in diesen Tagen erleben. Trotzdem: Tausende verloren ihre Häuser für immer und müssen jetzt einen neuen Ausbruch fürchten.

Basseterre, die Hauptstadt von St. Kitts, wo wir um 9 Uhr morgens eintrafen, ist so britisch, dass es zu einer Miniaturausgabe des Piccadilly Circus gereicht hat; die Sonne brennt nieder im kleinen Hafen, aber vor der Sightseeing-Tour müssen wir mal ausschlafen nach dem ersten Nachtthörn seit Mitte Februar.

Samstag, 19. Februar 2011

Auszeit bis Mitte März auf Guadeloupe

In 26 Stunden sind wir die gut 130 Meilen von St.Lucia nach Guadeloupe gesegelt, ein schöner Thörn mit gutem Wind - ausser entlang der Insel Dominica. Wir waren zu stark in die Abdeckung der gebirgigen Landschaft in unserem Osten geraten und so hat uns die Insel den Wind vorenthalten. Bei der Ankunft in der Bucht von Pointe-à-Pitre regnete es so heftig, dass die Landschaft hinter einem Wasservorhang verschwand. Der erste wirklich wüste Morgen im karibischen Insel-Paradies.

In Guadeloupe selbst ist alles französisch - und doch nicht: Strassennamen, Plätze, der Carrefour und was man sonst braucht zum Leben: Frankreich pur mit Baguettes und Paté. Aber die Menschen und lokalen Märkte sind karibisch inspiriert, auch gibt es die typischen Hütten-Siedlungen der Armen, die wir auf andern Inseln der Karibik gesehen haben.

Wir sind hier bis mindestens Mitte März. Und nehmen Ferien vom Bootsalltag. Das bedeutet auch, dass es im Blog erst in der zweiten Hälfte März wieder etwas Neues zu lesen gibt. Wir freuen uns deshalb über alle LeserInnen, die in der Zwischenzeit die Sachen der letzten Monate lesen, als seien sie gestern geschrieben worden.

Dienstag, 15. Februar 2011

"Wir beneiden Euch"

Oft schreiben uns Bekannte, dass sie das Leben auch mal so geniessen wollten wie wir auf unserem Boot hier in der Karibik - und dass sie uns beneiden würden. Auf den ersten Blick ist klar, was darunter zu verstehen ist: Tagsüber irgendwann durch einen lokalen Markt zu spazieren und die schönsten exotischen Früchte auswählen, abends dann im Cockpit des Bootes sitzen in einer ruhigen Ankerbucht und dem Sonnenuntergang zuschauen. Und anderntags mit gutem Wind und wenig Wellen weiter segeln.

Doch neben solchem offenkundigen Genuss gibt es eine weitere Kategorie, bei der nicht so offensichtlich ist, um was genau man uns beneiden sollte. Gestern musste ich mit unserem Lastrolli und leeren Bidons Diesel holen gehen, kurvte dann auf dem Heimweg entlang einer viel befahrenen Strasse mit den 60 Litern um Wasserpfützen herum und spürte meinen Tennis-Ellbogen sowie die Abgase der Lastwagen. Heute nun warten wir auf einen Handwerker, der unser Dinghy reparieren könnte. Falls die Kosten dafür einigermassen im Rahmen liegen. Sonst würde ich es selber versuchen.

Was ist bei diesen Beschäftigungen bzw. dem Warten nun der Lebensgenuss? Die Antwort ist nicht so offenkundig wie beim Sonnenuntergang. Zu beneiden bin ich beim Dieselschleppen vor allem deshalb, weil die Mühsal bei 25 Grad im Schatten stattfindet und nicht bei Schneegestöber und Glatteis. Das Warten auf den Handwerker überbrücke ich mit Lektüre über Reparaturen von Gummibooten und lerne Neues über Materialien, die ich bisher nicht kannte (Hyphalon). Das ist unterhaltend und interessant. Und weil der Handwerker immer noch nicht kommt, lese ich in einem Roman weiter, was ich mir an einem gewöhnlichen Nachmittag unter der Woche als Arbeitnehmer nicht hätte leisten können. Ueberhaupt: Zeit zu haben, ist vielleicht das beste. Früher hätte mich eine Wartezeit am Zoll aufgeregt. Heute setze ich mich in Soufriere auf die Treppe und gucke eine halbe Stunde lang, was alles abgeht auf der Strasse.

An diesen Beispielen wird vielleicht klarer, was der Lebensgenuss sein könnte: Wir tun alles, was wir tun, aus eigenem Antrieb, nicht weil wir müssen, nicht weil es zum Job gehört und wir einen Chef im Nacken haben. Dass wir nach mühseliger Seglerei und Stampfen in den Wellen oft erschöpft sind, ist natürlich kein Genuss. Auch Dieselschleppen nicht und irgendwelche Wartereien für sich genommen auch nicht. Aber alles zusammen ist Teil eines höchst abwechslungsreichen Alltags, den wir selber bestimmen und in welchem wir eigentlich keinem Druck und keinen Zwängen ausgesetzt sind. Das ergibt unter dem Strich jenes Leben, um das uns andere Menschen vielleicht manchmal beneiden.

Montag, 14. Februar 2011

Skype

Sie sitzen auf dem Vordeck oder im Cockpit ihrer Boote, an einsamen Tischchen in der Bar – oder sie stehen am Strand, den Laptop in der Hand und die Stöpsel im Ohr. Und sie reden. Das sind die Skyperinnen und Skyper, die via Wlan ihre Lieben zu Hause anrufen. Es macht halt einen Riesenunterschied, nicht nur Mails zu verschicken, sondern hin und wieder eine liebe Stimme auch zu hören – und zwangslos zu plaudern. Skype ist unter den Expats - mit und ohne Boot – längst zum Standard geworden.

Was ist so gut an Skype, dem Telefon via Internet? Erstens: Nicht alles ist gut. Oft hat man eine schlechte Verbindung; deshalb testen wir Skype immer zuerst mit versierten Skypern am andern Ende der Leitung. Und rufen erst dann die Gotte in Bern an, welche, noch an traditionelle Telephonie gewohnt, irritiert wäre, wenn die Stimme ihres Patenkinds während des Gesprächs immer mehr in einer Konservendose verschwindet. Der Fachausdruck dafür heisst offenbar Fading.

Wenn aber ein guter Wlan gefunden ist, kennt Skype keine Grenzen. Grösster Vorteil ist, dass man von jedem Ort aus jene speziellen Nummern anrufen kann, 0848er Anschlüsse in der Schweiz zum Beispiel oder 800er in den USA, die sonst aus dem Ausland unerreichbar oder teuer sind. Wie konkurrenzlos gut Skype ist, zeigt das folgende Beispiel: Der Anruf auf eine 800er Nummer in den USA von einem Pay phone aus in St. Lucia ist ohne weiteres möglich, aber kostenpflichtig. Letzteres wäre im Prinzip durchaus akzeptabel, doch leider gibt es für das Münztelefon nur Telefonkarten bis maximal 4 Dollar. Diese hatte ich im Fall einer Fluggesellschaft aufgebraucht, noch bevor sich eine Salesperon meldete, welche im Moment meines Anrufs gerade other customers bediente.

Es ist also nicht mal so sehr der Gratis-Aspekt, der bei Skype überzeugt, sondern ganz einfach, dass Skype alle Grenzen des Telefonierens überwunden hat – und für diesen Service eigentlich sehr viel mehr verlangen könnte als ein paar Cents für eine wirklich gute Verbindung zur Gotte in Bern oder zu einem Callcenter in den USA.

Dienstag, 8. Februar 2011

Der Teufel und seine Krallen

In unserer lockeren Serie "Farbige Begriffe des Segelns" haben wir bereits Schmetterling und Bullenstander behandelt und uns sogar schon in die französische Sprache ("ciseaux") gewagt. Weil wir gestern bei "Water World" in Rodney Bay (St. Lucia) eine Teufelskralle gekauft haben, erklären wir heute diesen Begriff.

Also: Bei der Teufelskralle handelt es sich nicht um die Blume, sondern um einen eisernen Haken, der an einer Leine festgebunden ist und die Ankerkette krallt. Zweck des Hakens ist, dass die Kette am Bug entlastet ist und jene Knallgeräusche ausbleiben, die einen nachts in der Ankerbucht hochschrecken lassen mit der bangen Frage "Jesses, was ist mit der Kette los!". Eine Leine hingegen macht - wie die LeserInnen einer Zeitung - keinen Lärm, weil sie keine Kettenglieder hat, die sich mit dem hin und her schwankenden (schwojenden) Schiff lautstark bewegen könnten.

Interessant ist jedoch meiner Meinung nach nicht eigentlich die Funktion, sondern der Begriff der Teufelskralle selbst, weil er davon ausgeht, dass der Teufel Krallen hat (zu den Hufen seiner Hinterbeine). Ich selbst sehe den Teufel jedoch nicht mit Krallen, sondern mit fein manikürierten Männerhänden. Ich würde unseren Haken deshalb eher Teufelshand nennen, wobei dann das kraftvolle im Begriff fehlt. Die Teufelskralle vermutet den Teufel irgendwie als einen starken Kerl. Ist er das? Mein Teufel ist eher ein bisschen ein gemeiner Schwächling, so eine Art Abteilungsleiter, der einem wortlos über seine Lesebrille hinaus anguckt. Und ich kann mir schwer vorstellen, dass mich dieser Chef krallen und meine Füsse näher ans Höllenfeuer ziehen würde. Aber solche Mutmassungen sind natürlich immer sehr individuell.

Samstag, 5. Februar 2011

Innovative Wassertaxis

Im Inselparadies der Tobago Cays haben wir ein interssantes Business-Modell kennen gelernt. Die Inhaber von Wassertaxis holen die Yachties am Abend von ihren Booten ab und fahren sie auf eine kleine Insel. Dort weisen sie ihren Gästen einen Tisch zu und servieren dann grillierten Fisch und Huhn mit Reis. Wohlverstanden: Die Wassertaxifahrer servieren, nicht die Betreiber des Grills, die etwas weiter entfernt von der improvierten Inselbeiz nur für die Zubereitung der Speisen zuständig sind. Am Ende der Mahlzeit bringt dann der Taxifahrer seine Gäste wieder zurück aufs Boot und kassiert dort einen Gesamtpreis - also Fahrt hin und zurück inkl Mahlzeit.
Man weiss bei dem Angebot nicht, was das Essen kostet in dem entrichteten Betrag und wie hoch die zwei Fahrten mit dem Dory veranschlagt worden sind. Ungewöhnlich? Ueberhaupt nicht: Die cleveren Unternehmer handeln nach dem gleichen Modell wie Fluggesellschaften. Auch beim Fliegen wird ein Transport von A nach B (und je nachdem zurück) angeboten. Und bei langen Flügen wird ein Essen serviert, dessen Preis man in der Holzklasse nur ahnen kann (8.50 Fr. für ein Lunchtablett?) und den auch der First-class-Passagier für sein üppiges Mahl nicht kennt. Er entrichtet dem Transporteur einen Gesamtpreis und der Transporteur selbst bezieht das Essen von einem Caterer - und bezahlt diesen.
Das Businessmodel der Wassertaxifahrer wäre doch eine Idee für das träge und teure Zürcher Taxigewerbe, das nicht gerade innovativ ist, sondern noch immer das exakt gleiche Produkt anbietet wie vor 50 und mehr Jahren. Wäre es nicht Zeit für neues Angebot? Hier ist es: Wir lassen uns künftig zu Hause per Taxi abholen und ins Restaurant fahren, dann nach drei Stunden geht's wieder zurück - zu einem Inklusiv-Preis von, sagen wir mal, 99 Franken pro Person innerhalb des Stadtgebiets. Wäre das nicht ein Versuch wert? Auf den Tobago Cays funktionierts.