Freitag, 3. Dezember 2010

Advent, Advent...

Um bei 30 Grad im Schatten doch noch zu ein bisschen weihnachtlichen Gefühlen zu kommen, haben wir heute beim Niedergang einen Adventskalender aufgehängt. Wer immer vom Innern des Boots hinaufsteigt ins Cockpit oder herunter kommt, kann an der Zahl der geöffneten Türchen erkennen, wie lange es noch dauert bis zum Fest.

Der Kalender zeigt allerdings eine für mich total merkwürdige und ungewöhnliche Szene. Im Zentrum des Bildes steht ein Postamt, das sich nicht in einem Gebäude befindet, sondern das als Marktbude mitten auf der Strasse in einem Stadtquartier mit älteren Wohnbauten aufgestellt wurde. Es ist Nacht, die Zimmer aller Wohnungen sind hell erleuchtet. Vor dem Postamt haben sich Kinder versammelt, die bei Engelsbeamtinnen Briefe aufgeben. Die Post wird dann an Himmelsboten, ebenfalls Engel, weiter geleitet, welche vom schneebedeckten Dach der Marktbude aus starten. Sie haben alle schwere schwarze Mappen bei sich, gewinnen aber trotz der Last bei ihrem Flug über die Dächer rasch an Höhe.

Die ganze Szenerie mit diesem nächtlichen Budenpostamt hat etwas leicht Unheimliches. Und ich wusste lange nicht warum. Plötzlich merke ich, was mich innerlich irritiert: Es sind keine Erwachsenen zu sehen in dieser Kinderstadt und man ahnt oder fürchtet, dass sie sich wohl alle in den Wohnungen aufhalten (aufhalten müssen?), in all den Zimmern, für deren helle Beleuchtung es ein Obligatorium zu geben scheint.

Vielleicht hat der Kalender aber auch überhaupt nichts Unheimliches, wenn er nur nicht bei 30 Grad im Schatten betrachtet würde, sondern in einer ganz normalen winterlichen Atmosphäre zu Hause in der vorweihnachtlichen Schweiz in einem gut geheizten und ebenfalls gut ausgeleuchteten Wohnzimmer. Denn unser Problem ist: Wir leben hier auf dem Atlantik ohne alle üblichen gesellschaftlichen Adventsattribute: wir sehen keine TV-Spots, die mit weihnachtlicher Musik untermalt sind; wir gehen nicht an festlichen Auslagen vorbei in der Stadt mit ihrer Lucy; wir haben keine eigenen Geschenkpläne und müssen auch nicht ans Weihnachtsessen des Arbeitgebers.. Es ist einfach unmöglich, hier auf dem 15. Breitengrad irgend etwas Weihnachtliches zu spüren.

Das gleiche gilt für den Winter: Herzlichen Dank allen, die uns Mails geschickt haben mit Nachrichten über Schneeverwehungen, über umgekippte Autos, die Bise und Minustemperaturen. Aber bei aller Empathie will sich einfach kein Mitgefühl einstellen, weil der Winter für uns so schwer vorstellbar ist wie für alle von uns, wenn wir im Juli in der Schweiz im Schwimmbad sind. Sommer und Winter – das kann man nicht nachfühlen, nur selbst erleben. Aber einen Adventskalender zu haben bei 30 Grad ist trotzdem eine schöne Sache.

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